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Wie Sie Warenkorbabbrecher erfolgreich per E-Mail aktivieren

Gelungene Nachfassmails auf den Weg bringen
Rene Kulka | 29.02.2012

Gezielte E-Mails an Warenkorbabbrecher bieten viel Potenzial. Häufig kann die Wiederaufnahme und der Abschluss einer Bestellung durch Nachfassmails angestoßen werden. Hierbei gilt es jedoch technische, fachliche und rechtliche Klippen zu meistern.

Warum werden Online-Käufe abgebrochen?
Wie die aktuelle Studie "ECC-Shopmonitor Spezial" zeigt, kommt es in folgenden Bereichen besonders häufig zu Kaufabbrüchen:
1. Landing Page
2. Produktangebote
3. Registrierung
4. Bezahlweise
5. Zahlungsdaten
6. Kaufabschluss

International liegt die Warenkorbabbrecherrate je nach Studie zwischen 60 % und 71 % (Baymard Institute). Hierzulande liegt die Rate hingegen bei rund 58 %.

Gründe für Kaufabbrüche
E-Mail-Marketing bietet durch passgenaue Nachfassmails ein mächtiges Instrument, um diese Rate effektiv zu verkleinern und die Bestellabbrecher doch noch zu konvertieren. Für die Conversion setzen solche E-Mails genau in dem Bereich an, wo der Kaufprozess abgebrochen wurde. Die häufigsten Gründe für die nicht zustande gekommene Bestellung sind:
- Die Versandkosten sind zu hoch – denken Sie beispielsweise an die gedankliche Hemmschwelle beim Online-Shopping durch Mehrkosten ohne direkten Mehrwert (im Vergleich zum versandkostenfreien Offline-Kauf). Dieser "Effekt" ist bei einer späten Kommunikation der Versandkosten besonders groß.
- Die Nutzer sind noch nicht kaufbereit – eventuell ergeben sich im Laufe des Bestellprozesses noch Fragen. Häufig geht es um einen weiteren (letzten) Preisvergleich. Öfters suggeriert auch das Formularfeld "Coupon-Code", dass noch Rabatt-Potenziale vorhanden sein könnten.
- Der Warenkorb wird zur Merkliste umfunktioniert. Manchmal werden im Zeitverlauf immer neue Artikel hinzugefügt, bis der Mindestbestellwert für die versandkostenfreie Lieferung erreicht wird.
- Die gewünschte Zahlungsoption wird nicht angeboten.
- Es wurde noch nicht genügend Vertrauen aufgebaut bzw. beim potenziellen Käufer bestehen noch Sicherheitsbedenken.
- Der Nutzer hat Fragen, die unter Umständen nur der Kundensupport beantworten kann.

Jeder Marketer ist gut beraten, die Gründe für den Bestellabbruch zu identifizieren. Ohne dieses Wissen bleiben Nachfassmails weit hinter ihren Möglichkeiten zurück, da es ihnen an Zielgenauigkeit und Relevanz fehlt.

Technische Aspekte

Die technischen Voraussetzungen, um Warenkorbabbrecher kontaktieren zu können, sind:
- Identifikation des potenziellen Käufers im Online-Shop
- Verfügbarkeit der entsprechenden E-Mail-Adresse
- Verbindung zwischen dem Online-Shop und der Versand-Software

Die Identifikation im Online-Shop erfolgt Cookie-basiert. Der Nutzer erstellt hierfür im Shop einmalig ein individuelles Benutzerkonto mit eindeutiger ID und mit Passwort. Zugleich gibt er sein Werbeeinverständnis und hinterlegt seine E-Mail-Adresse. Ist der Nutzer angemeldet, lassen sich seine Klickpfade mit einem gängigen Webanalyse-System erfassen, wobei auch abgebrochene Warenkörbe einbezogen werden. Bei Bewegungen aus einem Newsletter oder einer Kampagnenmail heraus, erfolgt die Identifikation durch angehängte, verschlüsselte Zusatz-Parameter. Solche speziellen E-Mail-Tracking-Links ermöglichen, die individuellen Bewegungen im Online-Shop anonymisiert für gezielte Nachfassmails zu erfassen (auch ohne Login). Zudem sollte zwischen dem Webanalyse-System und der E-Mail-Marketing-Software ein regelmäßiger, automatisierter Datenaustausch eingerichtet werden. Dadurch kann der E-Mail-Marketer bei Bestellabbrüchen zeitnah verhaltensbasierte Nachfassmails an die Warenkorbabbrecher anstoßen.

Die Verknüpfung zwischen dem Online-Shop und der E-Mail-Marketing-Software kann auch auf Post-Click-Tracking basieren. Hierbei wird ein HTML-/JavaScript-Codeschnipsel aus der Versand-Software auf den relevanten Seiten des Online-Shops eingefügt. Dadurch erhält der Marketer Webanalyse-Daten in Echtzeit. Hierbei lassen sich Produktbezeichnungen, Nutzer-IDs, Mengen, Preise und Warenkorbwerte an die E-Mail-Marketing-Software übermitteln. Unternehmen, die die relevanten Seiten im Bestellprozess mit dem entsprechenden Codeschnipsel versehen, können dadurch abgebrochene Transaktionen sehr gut nachvollziehen.

Alternativ zu Post-Click-Tracking sind auch professionelle Webanalyse-Systeme nutzbar. Systeme wie Adobe SiteCatalyst (Omniture), IBM Coremetrics, Econda oder Webtrekk lassen sich im Enterprise-Segment ohne größeren Aufwand an die E-Mail-Marketing-Software anbinden und unterstützen den regelmäßigen Datenimport und -export. Hierbei werden die gewünschten Webanalyse-Dateien (Typ, Name) zum festgelegten Zeitpunkt von FTP-Servern in die E-Mail-Marketing-Software hochgeladen. In der Versand-Software werden die Bestellabbrecher als Zielgruppen behandelt. Relevant sind hierbei meist die Artikel-IDs und zugehörigen Warenkorbwerte des abgebrochenen Kaufs sowie der Link zur Wiederaufnahme der Bestellung.

Sofern in der E-Mail-Marketing-Software auch Produktdaten aus Warenwirtschaftssystemen abrufbar sind, ergeben sich weitere Möglichkeiten für passgenaue Nachfassmails. Für ein erfolgreiches Follow-up sind besonders Produkt-IDs, Grafik-URLs, Landing Pages und Beschreibungstexte wichtig. Der eine oder andere Marketer verfügt auch bereits über Echtzeit-Schnittstellen zu seinen Warenwirtschaftssystemen, um Nachfassmails halb- oder vollautomatisch mit dynamischen Inhalten zu befüllen. Hierbei wird eine Basis-Nachfassmail einmalig mit Platzhaltern für die relevanten Angebote und Links eingerichtet. Zugleich werden die Versandzeitpunkte und mögliche Ausschlusskriterien für einen Nicht-Versand definiert.

Nachfassmails aus Marketing-Sicht
Welche Aspekte sind bei der praktischen Umsetzung von Nachfassmails besonders wichtig?
- Abbruchgrund
Ausgangspunkt sind die Gründe für gehäufte Bestellabbrüche. Ggf. sollte der Online-Shop entsprechend angepasst werden. Ist beispielsweise die Bezahlung per Kreditkarte nicht möglich, hilft auch keine top-rabattierte Nachfassmail, um den Nutzer zu überzeugen.

- Identifizierbarkeit
Nachfassmails setzen eine E-Mail-Adresse und die entsprechende Einwilligung voraus. Deshalb empfiehlt sich eine ganzheitliche Betrachtungsweise, die sich über alle Maßnahmen im Bereich Adressgenerierung erstreckt. Ist die Newsletter-Anmeldung auf der Homepage prominent genug platziert? Werden die relevanten E-Mail-Adressen möglichst früh erhoben – etwa bereits in einem vorgelagerten Schritt im Bestellprozess?

- Kontaktszenarien
In der Regel denkt man bei Nachfassmails an eine maßgeschneiderte E-Mail, die den Nutzer in seiner Inbox zeitnah an den noch nicht abgeschlossenen Kauf "erinnert". Unter Umständen ist es aber charmanter, den Nutzern in der nächsten regulären Abverkaufsmail einen speziellen Inhaltsblock anzuzeigen.

- Timing
Grundsätzlich sollte eine Nachfassmail innerhalb von 2 bis 24 Stunden versendet werden. Allerdings kann das richtige Timing je nach Produkt- oder Kundensegment stark variieren. Besonders bei hochpreisigen Angeboten kann es Tage oder Wochen dauern, bis eine endgültige Entscheidung getroffen wird.

- Inhalte
Gelungene Nachfassmails basieren auf den richtigen Inhalten, wobei sich eine gewisse Zurückhaltung empfiehlt. Unter Umständen ist auch eine Prise Ironie angebracht. Vermeiden Sie aber unbedingt einen Stalking-Effekt, denn auch beim Online-Shopping fühlt sich niemand gerne beobachtet. Beweisen Sie durch die richtigen Fragen Kundenorientierung (z. B. "Können wir Ihnen helfen?" oder "Fragen zum Datenschutz?"). Zugleich spielt der Preis natürlich immer eine große Rolle. Als Angebotsverstärker können Sie neben Sonder-Rabatten auch passende Kundenbewertungen platzieren. Auf der visuellen Ebene sollten Sie versuchen, in Ihren Nachfassmails Abbildungen zu platzieren, die die Produkte aus dem offenen Warenkorb aufgreifen. Geben Sie am Ende auch einen klaren Call-to-Action für den endgültigen Kauf.

Der Königsweg sind Direktlinks zum Warenkorb, die beim Klick im Browser die ursprüngliche Shop-Session aufnehmen. Diese Maßnahme kann entweder auf den gespeicherten Cookie-Informationen oder auf der Parameter-Übergabe der relevanten Angebote und Bestellwerte (HTTP-Request) basieren.

- Zweistufigkeit
Unter Umständen ist auch ein zweistufiger Ansatz zielführend. Alles darüber hinaus würde den Werbedruck über Gebühr strapazieren. Erfolgt auf die erste Nachfassmail keine oder nicht die gewünschte Reaktion, wird nach einigen Tagen oder Wochen ein zweites und letztes Follow-up unternommen. Hierbei kann sich ein Verfallsdatum als besonders nützlich erweisen ("Wir halten den Warenkorb noch 5 Tage für Sie vor"). Zudem sollte neben dem primären Call-to-Action für die Wiederaufnahme der Bestellung auch die Möglichkeit für das endgültige Löschen des Warenkorbs angeboten werden.

- Tests
Testen Sie auch Ihre Nachfassmails bereits bei der Implementierung. Analysieren Sie alles vom Versandzeitpunkt über den Absender und Betreff bis hin zu den Inhalten. Da die Nachfassmails unter Umständen die Privatsphäre der Nutzer tangieren, gehen Sie dadurch auf Nummer sicher.

- Segmente
Die Nutzer brechen aus unterschiedlichen Gründen ab. Während sich einige Nutzer wegen, der angezeigten Versandkosten aus dem Bestellprozess "rausklicken", brechen vielleicht andere wegen der Gesamtkosten im Warenkorb kurz vor der Bezahlung ab. Auch müssen Männer häufig anders als Frauen angesprochen werden und potenzielle Neukunden "ticken" anders als Bestandskunden etc. Nur eine detaillierte Analyse gibt Ihnen konkrete Anhaltspunkte für eine genaue Segmentierung und hohe Relevanz.

Rechtliche Überlegungen
Nachfassmails an Bestellabbrecher erfordern detaillierte Nutzungsprofile über das individuelle Surfverhalten. Deren Erstellung unterliegt wiederum strengen rechtlichen Bedingungen. In unserem in unserem E-Mail-Marketing-Blog "campfire" habe ich mehrere Artikel zum Thema Profilierung (http://www.optivo.de/campfire/tags/profilierung/) veröffentlicht. Zudem fasse ich nachfolgend den Stand der aktuellen Rechtsprechung für Nachfassmails zusammenfassen:
- Werbemails bedürfen – mit Ausnahme des Soft-Opt-ins – einer ausdrücklichen Einwilligung des Nutzers (Opt-in). Der Hinweis auf einen noch offenen Warenkorb dient der Förderung des Absatzes und ist deshalb als Werbung zu betrachten.
- Das Double-Opt-in-Verfahren ist bei vielen Kundenkontaktpunkten aus Gründen der Nachweisbarkeit vorzuziehen. Eine gesetzliche Pflicht für dieses Verfahren besteht jedoch nicht. Eine ausdrückliche Zustimmung kann auch durch ein Single-Opt-in zum Ausdruck gebracht werden.
- Ob der Nutzer sichtbar eingeloggt ist oder die Identifizierung "unsichtbar" erfolgt, dürfte in diesem Zusammenhang nachrangig sein. Ausschlaggebend ist die Einwilligung, werbliche E-Mails zu erhalten, sowie die Information über Widerspruchsmöglichkeit in die Bildung von (pseudonymen) Nutzungsprofilen (§ 15 Abs. 3 TMG). Darüber hinaus empfiehlt sich auch eine eindeutige datenschutzrechtliche Einwilligung in die Profildatenerfassung und -nutzung.
- Liegt eine ausdrückliche Einwilligung für den Erhalt werblicher E-Mails vor, deren Permission sich über einen regelmäßigen Newsletter hinaus erstreckt, sollte der Versand von Nachfassmails unabhängig vom Abschluss eines (entgeltlichen) Vertrags möglich sein.

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