Marketing-Börse PLUS - Fachbeiträge zu Marketing und Digitalisierung
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Kunden und kausale Zusammenhänge verstehen

Die Analyse riesiger Datenmengen können Kaufverhalten vorherzusagen. Das spart bis zu 50 Prozent Budget ein - bei steigendem Erfolg.
Dunja Riehemann | 04.12.2015

Um Kunden zu begeistern und emotional zu binden, muss das Einkaufserlebnis individuell auf jeden einzelnen Kunden zugeschnitten sein („Customer Experience“). Neue Technologie und Algorithmen machen das möglich: Mit Predictive Analytics lassen sich riesige Datenmengen analysieren und daraus präzise Prognosen über künftiges Kundenverhalten ableiten. Das führt zu gezielteren Entscheidungen im Marketing und bei der Preisfindung. Kundenverhalten prognostizieren Jeder Kunde hat seine eigene Geschichte und möchte individuell angesprochen werden. Up-Selling, Cross-Selling und eine Kundenwertsteigerung basieren auf sauberen Kundendaten und belastbaren Prognosen zum Kundenverhalten. Customer Analytics Applications, die sowohl strukturierte als auch unstrukturierte Daten in Echtzeit auswerten, geben dem Data-driven Marketing eine ganz neue Qualität. Was früher nur als unspezifische Aussendung an eine grob selektierte Zielgruppe möglich war, kann heute durch präzise Analyse der vorhandenen Datenmengen individuell und zielgerichtet gesteuert werden. Zusammenhänge zwischen Preis und Kaufverhalten aufdecken Die Preisgestaltung ist im Handel eine zentrale strategische Komponente, die direkte Auswirkung auf die Profitabilität des Unternehmens hat. Die Bereitschaft des Kunden, einen bestimmten Preis für ein Produkt zu zahlen, hängt von vielen Faktoren ab, zum Beispiel der Marke, dem Angebot vergleichbarer Produkte, den Wettbewerbspreisen, Bewertungen in Testportalen oder Social Media, sogar vom Wochentag oder Wetter. Mit Predictive Applications lässt sich genau analysieren, wie Preisänderungen sich auf das Kaufverhalten der Kunden auswirken. So können Unternehmen je nach Zielsetzung für jedes Produkt den optimalen Preis festlegen. Immer vernetzt, immer online Predictive Analytics bietet viele Möglichkeiten. Ein Beispielszenario: Eine junge weibliche Zielgruppe ist heute (fast) permanent auf verschiedenen Kanälen digital vernetzt. Während Bianca H. (20) im TV eine Folge der Serie „Germany’s Next Topmodel“ ansieht, tauscht sie sich gleichzeitig über ihr Smartphone mit Freundinnen über die gesehene Mode aus, postet Kommentare und Likes. Daneben hat sie ihr Tablet im Einsatz, auf dem sie zeitgleich schon über Google zu den gesehenen Schuhen recherchiert, die sie sich am liebsten sofort kaufen möchte. Eine Freundin schlägt ihr via Facebook vor, die Schuhe zur Party am nächsten Samstag zu tragen. Bei einem Onlineshop hat sie Erfolg: Die Schuhe sind in der passenden Größe direkt lieferbar, sie kosten allerdings 119,99 Euro. Dieser Preis ist der Studentin zu hoch. Sie kann sich nicht direkt zum Kauf entschließen, speichert das Produkt aber im Merkzettel und sucht weiter. Bei einem Wettbewerber kosten die Schuhe nur 107,99 Euro, sind aber erst in drei Wochen lieferbar. Mithilfe von Predictive Analytics könnte der erste Onlinehändler direkt reagieren und Bianca H. sofort einen Coupon zuspielen: „Late-Night-Shopping: Jetzt bis Mitternacht zehn Prozent Rabatt sichern!“ Die Schuhe kosten somit nur noch so viel wie beim Wettbewerber und sind sofort lieferbar. Klar, dass sie sofort bestellt. Kausalitäten beim Katalogversand Die richtigen Kunden erreichen und den Umsatz pro Kunde erhöhen ist letztlich das Ziel jedes Handelsunternehmens. Dabei spielt die Werbemaßnahmensteuerung eine wichtige Rolle. Ein Beispiel: Der Katalogversand in einem großen Handelsunternehmen soll möglichst zielgerichtet gesteuert werden, denn jeder einzelne Katalog verursacht Kosten. Bei einem Unternehmen, das Millionen von Kunden in seiner Datenbank gespeichert hat, können die richtigen Auswahlkriterien enormen Einfluss auf seinen wirtschaftlichen Erfolg haben. Ein Irrglaube, der sich in Marketingabteilungen bis heute beständig hält, ist die Annahme, dass sich durch den Katalogversand an besonders gute Kunden der Umsatz steigern lässt. Diese Annahme ist falsch. Denn die „Güte“ eines Kunden sagt noch nichts darüber aus, ob und wie sich der Kunde vom Zusenden eines Katalogs in seinem Kaufverhalten beeinflussen lässt. Neue Technologien ermöglichen es, viel komplexere Zusammenhänge aufzudecken und bei der Auswahl für den Katalogversand die gesamten Daten und Kundenhistorien zu berücksichtigen. Das entscheidende Kriterium ist der kausale Effekt des Katalogs: Wie beeinflusst der Erhalt des Katalogs das Kaufverhalten des Kunden? Die Praxis hat gezeigt, dass eine Änderung des Katalogversands nach dem Kausalitätskriterium zu wesentlich besseren Ergebnissen führt. Verschickt wurden Kataloge nur an die Kunden, von denen angenommen wurde, dass sie durch den Erhalt des Katalogs in ihrem Kaufverhalten positiv beeinflusst werden (Kausalität!). Das Ergebnis: Mit nur 50 Prozent des Etats konnte der gleiche Werbeeffekt erzielt werden wie bei einem Versand nach den alten Auswahlkriterien. In Zeiten von knappen Budgets braucht es Instrumente zur Steigerung der Marketingeffizienz. Neue Technologien wie Predictive Applications sind gerade im Marketing wettbewerbsentscheidend.