Marketing-Börse PLUS - Fachbeiträge zu Marketing und Digitalisierung
print logo

Produktdaten-Onboarding für Fortgeschrittene

Online-Händler, die wettbewerbsfähig bleiben wollen, müssen skalierbare Prozesse mit automatisiertem Produktdaten-Onboarding schaffen.
Frauke Ewe | 07.01.2019
Zu jedem Produkt gibt es eine Vielzahl an Attributen, die bei der Kaufentscheidung eine wichtige Rolle spielen. © Feed Dynamix GmbH (auch für die Abbildung unten)
 

Im Handel sind heute oft noch ganze Abteilungen damit beschäftigt, Produktdaten von Lieferanten in die eigenen Systeme zu transferieren. Selbst etablierte Online-Händler tauschen noch immer Produktinformationen über Excel-Listen oder PDFs mit ihren Lieferanten aus. Wer allerdings wettbewerbsfähig bleiben will, muss skalierbare Prozesse schaffen, die das Produktdaten-Onboarding automatisieren – und sich unabhängig vom Digitalisierungsgrad des Lieferanten machen.

Im Zuge einer kundenzentrierten Ausrichtung von Unternehmen stehen heute vor allem die Schnittstellen und Handelsprozesse auf dem Prüfstand, die den unmittelbaren Geld- oder physischen Warenfluss zwischen Lieferant, Händler und Kunden betreffen. Als nachrangig angesehen wird oft der Prozess rund um das Verwalten und Aktualisieren von Produktinformationen und -angeboten. Dabei kostet mangelhafte Datenqualität jedes Top-Unternehmen aus Handel und Industrie durchschnittlich 8,2 Millionen US-Dollar im Jahr. Hinzu kommen Zeitverluste bei der Listung von Produkten, Mehraufwände durch zusätzliche Abstimmungsschleifen und manuelles Datenhandling.

Wer die Erfassung von Fremddaten effizienter gestalten und zudem unabhängiger von der gelieferten Datenqualität werden möchte, kommt um eine intensive Beschäftigung mit dem Thema „Data Onboarding“ nicht herum.

Prioritäten erleichtern das Handling hoher Datenvolumina


Bei der Erfassung von Produktdaten sehen sich Händler mit einem permanenten Spannungsfeld zwischen Qualität, Quantität und Geschwindigkeit konfrontiert: Qualitativ hochwertige Produktdaten stärken das Vertrauen des Kunden und letztlich die Conversion Rate. Wer aber auf Datenqualität verzichtet, muss nicht nur mit Umsatzeinbußen rechnen, sondern riskiert auch Retouren aufgrund falscher oder fehlender Produktangaben.

In einem hochkompetitiven Handelsumfeld ist allerdings auch die Geschwindigkeit ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Gibt es beispielsweise ein neues Trend-Produkt auf einem ausländischen Markt, muss man als Händler schnell sein: Wer jetzt zu den ersten Anbietern gehört, kann auch am meisten Umsatz machen. Wer zu langsam ist, wird am Ende auf seinen Beständen sitzen bleiben.

Zuletzt müssen Händler auch den Faktor „Quantität“, also die Menge an Daten in den Griff bekommen: Händler sind heute mit einer steigenden Zahl an Produktvarianten bei immer kürzer werdenden Produktlebenszyklen konfrontiert. Für die Produktdaten bedeutet das: Zunehmende Datenvolumina bei kürzeren Updatezyklen und für den Handel oft die Grenze der Machbarkeit.

Unternehmen sollten daher Prioritäten für einzelne Sortimente und Produkte definieren und sich fragen: Welche Produkte müssen mit welcher Priorität gelistet werden? Und, für welche Sortimente gilt welches Qualitätslevel?

Copyrights: Feed Dynamix GmbH
Spannungsfeld zwischen Produktdatenqualität, Geschwindigkeit des Onboardings und der Menge an Produktdaten.

Zieldatenstruktur sorgt für klare Verhältnisse


Die Grundlage zur Sicherung der Datenqualität und zur Definition der individuellen Qualitätslevel für einzelne Sortimente muss bereits vor der Erfassung der Produktdaten geschaffen werden - durch eine sogennante Zieldatenstruktur. Diese Spezifikation ist wichtig, um Produktinformationen später zu identifizieren und ihre Vollständigkeit sowie Konsistenz sicherzustellen. Der gesamte Datenbestand lässt sich mit Hilfe der Zieldatenstruktur einheitlich strukturieren und vor Redundanzen schützen.
Die Zieldatenstruktur eines Modehändlers sollte z.B. folgende Elemente berücksichtigen:

Kategorien
Kategorien sollten überschneidungsfrei definiert werden, sodass eine Auffindbarkeit der Artikel gewährleistet werden kann.
Bsp.: Bekleidung & Accessoires > Bekleidung > Oberteile > Hemden

Attribute
Attribute beschreiben das Produkt näher und können je Kategorie variieren.
Bsp.: Artikel-Nr., Hersteller, Produktname, Beschreibung, Größe, Farbe, Passform, Kragenweite, Ärmellänge, Material

Attributwerte
Attributwerte entsprechen den möglichen Merkmalsausprägungen und schaffen eine bessere Vergleichbarkeit.
Bsp. Für Herrenoberbekleidung werden für das Attribut Größe nur Wertangaben nach dem europäischen Größensystem (44, 46, 48,…) akzeptiert.

Attributeigenschaften
Die Definition der Eigenschaften ermöglicht eine zusätzliche Validierung der Eingaben.
Bsp. Pflichtangabe, Bool’sche Werte, Zahlwerte, Datumsangaben,…

Die Zieldatenstruktur sollte regelmäßig aktualisiert werden, um Datenanforderungen für neue rechtliche Vorgaben, Produkttrends oder auch eigene Sortimentserweiterungen abbilden zu können.

Für die anschließende Datenerfassung ist nun wichtig, dass dies in einem zentralen System erfolgt. Für viele Unternehmen ist dies noch immer eine Herausforderung: Produktdaten werden parallel in PIM-, ERP- und Shop-Systemen benötigt, wobei jedes System meist eigene Anforderungen an Daten, Struktur und Format hat. Wer nun alle Systeme zeitgleich mit Daten bedienen will, wird oftmals aufgrund der Vielzahl an Schnittstellen mit hoher Komplexität konfrontiert. Diese birgt neue Fehlerquellen und ist oft mit hohen Kosten verbunden. Folglich muss zunächst entschieden werden, welches System künftig führend bei der Erfassung und Haltung der Produktdaten ist. Ausgehend von diesem System können Produktdaten an alle weiteren Systeme im Unternehmen verteilt werden.

Datenqualität braucht Regeln und Zusammenarbeit


Es gibt mehrere Gründe für eine falsche, ungenaue oder unvollständige Datenerfassung. Anstatt im Nachhinein Daten auf Korrektheit zu prüfen, ist es in jedem Fall ratsam, diese direkt bei der Erfassung zu validieren. Dass eine nachträgliche Bearbeitung sehr aufwändig ist, zeigt das Beispiel„Ebay“: Anfang 2017 verkündete die Plattform, 55 Prozent ihres historisch „wild“ gewachsenen Produktkatalogs strukturiert zu haben. Ein halbes Jahr zuvor waren 42 Prozent der rund 60 Millionen Artikelstammdaten überarbeitet worden.

Oft liegt das Problem ineffizienter Onboarding-Prozesse aber auch darin, dass der Lieferant nicht ausreichend über die Datenanforderungen des Händlers informiert ist und auch das Verständnis für die Relevanz guter Produktdaten fehlt. Wer hier Transparenz schaffen und die Zusammenarbeit erleichtern will, sollte eine für Geschäftspartner bindende Produktdatenrichtlinie etablieren, welche die Anforderungen an die Datenqualität präzise beschreibt. Durch Kommunikation und Bereitstellung einer Produktdatenrichtlinie können Abstimmungsaufwände bereits im Vorfeld eingegrenzt werden.

Wer einen Schritt weiter geht, sorgt außerdem dafür, dass alle Beteiligten Zugang zu allen relevanten Daten und Informationen erhalten. Gelingen kann dies durch die Vergabe von dedizierten Zugriffsrechten zu den produktdatenhaltenden Systemen. Ein Hersteller kann dann den aktuellen Datenbestand für seine Produkte beim Händler einsehen, Mängel an den Stammdaten erkennen und gegebenenfalls direkt beheben.

Flexible Systeme für alle Fälle


Was aber, wenn der Lieferant die Anforderungen an die Produktdaten nicht erfüllen kann? Oder gar nicht will? Als Händler kann man sich auch für diesen Fall vorbereiten. Dabei sollte man allerdings möglichst darauf verzichten, individuelle Skripte oder Makros zu schreiben, um die Produktdaten in Form zu bringen. Nicht nur, dass sie mitunter hohe Kosten bei der Programmierung verursachen. Das größte Problem verbirgt sich in ihrer Pflege: Denn sobald Händler oder Lieferant Änderungen an der Datenstruktur vornehmen, funktioniert die Datenintegration oftmals nicht mehr zuverlässig und Anpassungen sind erforderlich. Erschwerend kommt hinzu, dass individuelle Lösungen nicht skalieren, da sie in der Regel kein zweites Mal verwendet werden können. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, bereits bei der Gestaltung der Infrastruktur ETL-Systeme zu etablieren, welche flexibel die Daten aus verschiedenen Quellen in das Schema des Zielsystems transformiert und in das Zielsystem lädt.