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Mit Graphtechnologie zur Turbo-Personalisierung

Stark vernetzte Daten mit Graphdatenbanken in Echtzeit nutzen, um Kunden personalisiert anzusprechen und damit den Umsatz im E-Commerce anzukurbeln.
Dirk Möller | 18.03.2019
© Neo4j
 

Kunden erwarten heute mehr von ihrem Online-Shop als Standard-Vorschläge zu den neuesten Bestsellern oder den günstigsten Artikeln. Wer seinen Umsatz im E-Commerce steigern will, muss den Geschmack seiner Kunden treffen und sollte idealerweise Wünsche erfüllen, die vom Anwender selbst noch nicht einmal formuliert wurden. Das funktioniert jedoch nur, wenn die Empfehlungen umfassende Informationen wie das bisherige Kaufverhalten und vorherige Suchabfragen einbeziehen und damit für den Kunden tatsächlich relevant werden. Pseudo-personalisierte Ansprachen, zusammenhanglose Werbung und wie zufällig ausgewählte „Das könnte Ihnen auch gefallen“-Links schaden hingegen mehr als sie nützen. Gelingt die personalisierte Empfehlung, können Online-Anbieter die Kundenzufriedenheit verbessern, eine höhere Conversion-Rate erzielen und damit den Umsatz steigern.

Zwei Wege zur personalisierten Empfehlung

Die Ermittlung von personalisierten Produktempfehlungen erfolgt in der Regel nach zwei Methoden. Bei einem inhaltsbasierten System („content based“) werden Informationen zum potenziellen Käufer wie sein Kauf- und Browserverhalten analysiert. Finden sich Übereinstimmungen, folgt die entsprechende Produktempfehlung. Ist die Downloadliste eines Kunden voll mit Hörbüchern von Agatha Christie, Stieg Larsson oder Patricia Highsmith, empfiehlt der Online-Shop weitere Krimi-Autoren. Einen zusätzlichen Mehrwert bietet das kollaborative Filtern („collaborative filtering“), indem es bei der Produktempfehlung das Verhaltensmuster anderer Käufer mit ähnlichen Interessen miteinbezieht. Tauscht sich der Krimi-Freund beispielsweise im Forum mit anderen Kunden zu den neuesten Romanen aus, landen diese je nach Bewertung ebenfalls auf der Empfehlungsliste der Diskussionsteilnehmer. Einmal steht also eine Eigenschaft (Genre – Krimi) im Vordergrund, das andere Mal geht es um Beziehungen (Kunde A – Kunde B). Unabhängig von der Methode müssen Online-Anbieter in der Lage sein, unterschiedlichste Informationen zu sammeln, in Kontext zu setzen und auszuwerten. Eine komplexe Aufgabe, führt man sich die enorme Menge an heterogenen Daten und verschiedenen Datenquellen vor Augen. Insbesondere die Performance der Datenanalyse wird dabei zum Schlüsselfaktor: Im Internet zählt jede Millisekunde. Die Abfrage der Daten muss daher in Echtzeit ablaufen, wollen Anbieter verhindern, dass Kunden entnervt zum Wettbewerber abwandern. Für herkömmliche relationale Datenbanken, die Beziehungen über aufwendige Joins von Primär- und Fremdschlüssel-Tabellen berechnen, ist eine solche Geschwindigkeit schwer zu schaffen. Insbesondere bei großen vernetzten Daten dauert die Abfrage einfach zu lange. Damit basieren die Empfehlungen auf veralteten oder unvollständigen Informationen, so dass es vorkommen kann, dass einem Kunden ein Produkt vorgeschlagen wird, das er längst gekauft, zurückgegeben, reklamiert oder sogar schlecht bewertet hat.

Beziehungen im Fokus: Graphdatenbanken

Mit Graphtechnologie hat sich hier eine Alternative zu herkömmlichen Systemen etabliert, die vernetzte Daten zu Kunden, Produkten und Services abbildet. So lassen sich nicht nur einzelne Datensätze, sondern auch die Beziehungen zwischen diesen Entitäten abfragen. Alle relevanten Informationen zu einem Kunden einschließlich seiner sozialen Kanäle, Suchanfragen sowie Daten aus CRM-Systemen und dem Online-Shop werden in einen Gesamtkontext gerückt, der es erlaubt, in Echtzeit relevante und personalisierte Empfehlungen abzugeben. Das Prinzip ist einfach: Das Graphmodell repräsentiert eine Menge von Objekten zusammen mit den zwischen diesen Objekten bestehenden Verbindungen. Die Objekte werden Knoten genannt, die Verbindungen zwischen den Knoten heißen Kanten. Sowohl Knoten als auch Kanten kann eine beliebige Anzahl von Eigenschaften zugewiesen und die Verknüpfungen wiederum abgefragt werden, z. B. Preis, Bewertung und Genre eines Artikels oder wie lange ein Produkt bereits auf einer „Merkliste“ geführt wird. Ein Blick auf das Beispiel des Krimi-Fans macht das Modell anschaulicher: Kunde A und Hörbuch XZ werden als Knoten dargestellt, die über Kanten (z. B. „kauft“, „bewertet“) miteinander verbunden sind. Die Linie „bewertet“ kann mit dem Attribut „positiv“, „negativ“ oder „neutral“ versehen werden. Will man diese Informationen für Empfehlungen nutzen, folgt man den Verbindungen von Kunden A zu anderen Kunden und identifiziert so ähnliche Vorlieben und mögliche Empfehlungen. Copyrights: Neo4j © Neo4j Graphdatenbanken wurden genau für diese Art von Abfragen konzipiert. Je nach Anwendungsfall können sie bis zu eintausendmal schneller arbeiten als herkömmliche Systeme. Browserverhalten, Suchanfragen, Klickhistorien und Wunschlisten sowie die zusätzliche Verbindung mit Daten aus sozialen Kanälen werden zu einem Nutzerprofil verknüpft, das einem 360°-Blick auf den Kunden freigibt. Mit jedem Klick und jedem Einkauf wächst dieses Profil weiter. Neukunden, vorgemerkte Artikel sowie Kommentare und Bewertungen werden hinzugefügt und sofort bei der nächsten Empfehlung berücksichtigt. So bleibt der Datensatz aktuell.

Einsatz E-Commerce: Kochboxen von Gousto

Im E-Commerce werden graphbasierte Recommendation Engines sowohl im klassischen Online-Shop, als auch bei Vergleichsportalen oder für Hotel- und Flugbuchungen genutzt. Ein Beispiel aus dem Lebensmitteleinzelhandel ist das britische Unternehmen Gousto, das sogenannten Kochboxen versendet. Kunden können auf der Homepage ihr Wunschmenü auswählen und bekommen ein Päckchen mit den dazugehörigen Zutaten nach Hause geliefert. Der Einzelhändler nutzt dabei die Graphdatenbank Neo4j, um seinen Kunden Empfehlungen für das nächste Abendessen zu geben: Maßgeschneiderte Menüs für individuelle Wünsche. Copyrights: Gousto © Quelle: Gousto Gousto steht vor der Herausforderung, die immer größer werdende Produktvielfalt für die Kunden übersichtlich zu halten. Die Auswahl von Rezepten wächst ständig. Zudem müssen Rezepte auf die jeweiligen Kundenwünsche (z. B. Allergien, vegetarisch, vegan) angepasst werden und aktuellen Trends wie Superfood oder Bowls folgen. Gefragt war daher ein Recommendation-Engine-System, das eine Brücke zwischen Bequemlichkeit und Wahlmöglichkeiten schlägt. Um personalisierte Rezepte zu generieren, nutzt Gousto Informationen aus zwei verschiedenen Quellen: Interaktionen (Klicks, Bestellungen, Bewertungen) des Kunden mit dem Produktsortiment werden mit der umfassenden Rezept-Datenbank verknüpft. So lassen sich Gerichte identifizieren, die den Geschmack und Vorlieben der Kunden auf den Punkt treffen. Die Verknüpfung der unterschiedlichen Informationen in einem Graphen gibt den Menü-Designern die nötigen Anhaltspunkte für Rezeptvorschläge. Die Datenbank ist dabei eine Art hybrides Empfehlungssystem, das die vorhandenen Daten nach Gemeinsamkeiten in Gerichten, insbesondere in Bezug auf Zutaten, analysiert. Die graphbasierte Recommendation Engine ist geschäftsentscheidend, da sie es ermöglicht, besser auf den einzelnen Kunden einzugehen. Das Rezept-Team hat im Blick, welche Seiten geklickt, welche Kochboxen gekauft und wie die Gerichte bewertet werden. Die fortlaufende Datenauswertung verbessert wiederum die Algorithmen, wodurch die Produktvorschläge weiter optimiert werden. Seit Einführung, konnte Gousto einen Anstieg von 30 Prozent bei der Buchung von Rezeptvorschlägen verzeichnen. Das Beispiel zeigt, dass eine Verknüpfung von Daten unabdingbar ist, um inmitten von Hunderttausenden von Produkten, Angeboten und Inhalten den Kunden langfristig zu binden und letztendlich zum Kauf anzuregen. Nur mit einer zeitnahen und ganzheitlichen Analyse von Kunden- und Produktdaten können Online-Anbieter die Costumer Experience verbessern, die Loyalität zum Unternehmen kräftigen und damit den eigenen Online-Umsatz steigern.