Marketing-Börse PLUS - Fachbeiträge zu Marketing und Digitalisierung
print logo

Beschwerdemanagement: Wie aus Reklamierern positive Empfehler werden (Teil 2)

Im Rahmen eines kundenfreundlichen Beschwerde-Managements ist eine Menge zu beachten. Im Folgenden finden Sie Checkliste dazu.
Anne M. Schüller | 29.10.2006


Das Ziel eines jeden Beschwerde-Managements: Aus einem unzufriedenen Kunden einen begeisterten Kunden machen, der gerne wieder kauft und Positives weitererzählt. Hierbei wollen wir so viele Reklamationen wie möglich – und möglichst jede nur ein einziges Mal.

Versetzen wir uns zunächst in die Lage eines Mitarbeiters, der mit einer vorgetragenen Beschwerde konfrontiert wird. Eine schwierige Situation. Ist er gut trainiert und loyal, wird er angemessen reagieren und so Schaden von seiner Firma abwenden. Ist er übermotiviert, wird er entrüstet jede Reklamation von sich weisen.

Ist er dagegen frustriert, wird er jede Beschwerde als Bestätigung empfinden, sich auf die Seite des Unzufriedenen schlagen ("Sie sind nicht der Einzige, der hier Probleme hat!") und womöglich Firmen-Interna ausplaudern ("Wir sind völlig überlastet, und die Serviceabteilung kriegt nie was auf die Reihe.“). Das darf nicht sein!

Bereiten Sie also alle Mitarbeiter, die mit Beschwerden zu tun bekommen könnten, umfassend auf die richtige Einstellung und das richtige Verhalten bei deren Bearbeitung vor. Dabei geht es nicht nur um Wissen, sondern vor allem auch um das erforderliche Können. Gerade, weil eine Beschwerde oft so emotional vorgetragen wird, braucht es Training, Training, Training, um hierauf gekonnt zu reagieren. Wer bringt schon von Haus aus die Fähigkeit mit, Kritik gut zu ertragen?

Das Kundenfeedback-Management

Zunächst benötigen Sie eine Beschwerde-Policy mit Kulanzregeln sowie Leitlinien und konkrete Verhaltensweisen im Umgang mit Reklamationen. Meine Empfehlung: Entwickeln Sie diese, gegebenenfalls durch einen externen Profi unterstützt, mit den Mitarbeitern gemeinsam. So erreichen Sie eine bessere Umsetzung und vor allem bessere Ergebnisse.

Das Hotel Bergström in Lüneburg hat seine Beschwerde-Leitlinien im Rahmen meines Workshops von den MitarbeiterInnen erarbeiten lassen. Sie lauten wie folgt:

• Wir alle fühlen uns für jede Reklamation verantwortlich.
• Der Mitarbeiter, der die Reklamation erhält, ist für den weiteren Verlauf verantwortlich.
• Wir freuen uns über jede Reklamation und sehen sie als Lernchance.
• Wir gehen aktiv mit Reklamationen um.
• Wir reagieren direkt, zeitnah und angemessen auf jede Reklamation.
• Jeder Gast ist für uns ein kostenloser Berater.
• Wir entschuldigen uns immer als Erstes.
• Wir bedanken uns beim Gast für jede Reklamation.
• Wir erkennen Reklamationsansprüche, bevor sie entstehen.
• Wir erforschen Ursachen und bieten Lösungen an.
• Wir sorgen für Informationsfluss.
• Wir machen es dem Gast leicht, sich zu beschweren.

Im Rahmen eines kundenfreundlichen Beschwerde-Managements ist insbesondere auf Folgendes zu achten:

• Die Beschwerde-Policy: Sie muss schriftlich definiert und allen zugänglich sein. Sie formuliert die Ziele und sagt ausdrücklich, dass Kundenreklamationen erwünscht sind, um Beschwerdegründe zu minimieren und kontinuierliche Verbesserungen zu erzielen. Sie informiert über die Bedeutung des konstruktiven Umgangs mit Reklamationen. Sie definiert Verantwortlichkeiten und soll ein Höchstmaß an Flexibilität in Punkto Ermessens- und Handlungsspielraum zulassen.

• Das Reklamieren leicht machen: Machen Sie es dem Kunden leicht, sich sowohl persönlich als auch telefonisch bzw. schriftlich zu beschwerden. Richten Sie eine kostenfreie Hotline ein, legen Sie Ihren Produkten (voradressierte und frankierte) Meinungskarten bei, öffnen Sie einen Raum auf Ihrer Homepage mit einem Beschwerde-Eingabeformular und einer speziellen E-Mail-Adresse. Und: Stellen Sie ausreichend Kapazitäten bereit, damit zum eigentlichen Problem nicht auch noch der Ärger über lange Wartezeiten kommt.

• Mitarbeiter trainieren: Alle Mitarbeiter im Kundenkontakt benötigen ein regelmäßiges, intensives Training, wie man mit Unmutsäußerungen und Beschwerden typgerecht umgeht. Dabei stehen Ursachenforschung und Problemlösung und nicht Rechtfertigung oder Schuldzuweisungen im Vordergrund. Entdecken und fördern Sie Mitarbeiter, die für den Umgang mit ‚schwierigen‘ Kunden ein besonderes Talent haben. Gerade Mitarbeiter in Beschwerde-Callcentern brauchen eine besondere fachliche und soziale Kompetenz. Sie sind übrigens geradezu prädestiniert für kundenorientierte Projekte, da sie die Schwachstellen einer Organisation besonders gut kennen.

• Gewinnersprache bei Reklamationen: Bedanken Sie sich für jede Reklamation, entschuldigen Sie sich und finden Sie positive Formulierungen. Führungskräfte haben Vorbildfunktion in punkto Einstellung und Verhalten bei reklamierenden Kunden. Achten Sie insbesondere auf eine angemessene Wortwahl - vor und hinter den Kulissen! Es gibt keine Horrorkunden, keine Reklamationszicken und keine Nullchecker – sondern immer wieder neue Herausforderungen.

• Schnelligkeit vor Ausführlichkeit: Bei jeder Reklamation gilt: Schnelligkeit geht vor Ausführlichkeit. Reagieren Sie daher so schnell wie möglich: Bei telefonischen und Online-Beschwerden sofort, bei schriftlichen spätestens innerhalb einer Woche. Wer die Beschwerde erhält, ist verantwortlich für die Lösung. Er braucht also Rückendeckung durch die Kollegen – und einen Kompetenzrahmen für Kulanzfälle. Dies kann Sachleistungen und/oder Geldleistungen einschließen. Versenden Sie notfalls einen Zwischenbescheid. Im Rahmen eines Eskalationssystems können Beschwerden, die nicht rechtzeitig abgearbeitet werden, an den nächsten Vorgesetzten gehen.

• Individuell reagieren: Schreiben Sie eine individualisierte, sensibel auf das Problem eingehende Antwort mit plausiblen Erklärungen. Textbausteine werden von aufgeklärten Kunden schon längst erkannt und als entwürdigend erlebt. Lassen Sie jemanden aus dem Top-Management den Brief (mit-)unterschreiben. Das signalisiert Wichtigkeit. Oder noch besser: Telefonieren Sie nach. Das ist selten und überrascht.

• Kulant sein: Bieten Sie eine großzügige Wiedergutmachung an, die nicht nur den tatsächlichen Schaden, sondern auch die emotionale ‚Körperverletzung’ abdeckt. Denn bei jeder Reklamation gelangen Stresshormone ins Blut und diese machen ja in der Tat krank. Kleinkariertheit und Knauserigkeit sind völlig fehl am Platz. Betrachten Sie die mit der Wiedergutmachung verbundenen Kosten als Investition oder als Beraterhonorar. Und definieren Sie die wenigen Fälle, in denen Sie eine Forderung zurückweisen müssen.

• Mit dem Kunden gemeinsam: Erarbeiten Sie die Lösung mit dem Kunden gemeinsam. Auf die einlenkende Frage: "Was haben Sie sich denn vorgestellt?" schrauben die meisten Beschwerdeführer ihre Maximalforderung sofort zurück. Vergewissern Sie sich, dass der Kunde von Ihrer Reaktion angetan ist. („Sind Sie mit der Regulierung auch wirklich zufrieden? Was hätten wir besser machen können?“).

• Das Follow-up: Halten Sie Ihre gemachten Versprechen ein. Lösungen, die Sie ankündigen, muss der Kunde beim nächsten Kauf tatsächlich vorfinden. Informieren Sie den Kunden über Verbesserungen und Neuerungen, deren Ideengeber er war. Bedanken Sie sich mit einer Aufmerksamkeit. Bieten Sie dem Kunden baldmöglichst etwas zum Kauf an. Wie im wahren Leben reagieren wir nach einer angenommenen Entschuldigung meist wohlwollend und großherzig. Und schließlich: Vergewissern Sie sich im Rahmen einer Nachfass-Aktion, dass der Beschwerdeführer tatsächlich Ihr Kunde geblieben ist.

• In die Datenbank: Nehmen Sie jede Reklamation in die Kundenhistorie auf, so dass für die Mitarbeiter auf den ersten Blick erkennbar ist, wer sich bereits wie oft warum beschwert hat. Analysieren Sie systematisch alle Beschwerden auf Verbesserungspotenzial. Implementieren Sie eine zentrale Datenbank mit allen aufgetretenen Problemen sowie den gefundenen Lösungen. Erstellen Sie Statistiken mit den häufigsten Beschwerdegründen und periodische Vergleiche, bei miteinander vergleichbaren Filialbetrieben auch Vergleiche untereinander. Ermitteln Sie Kennzahlen, auch auf der Basis verschiedener Kundentypen und Zielgruppen.

• Mit den Mitarbeitern gemeinsam: Erarbeiten Sie mit den betroffenen Mitarbeitern gemeinsam konkrete Handlungsempfehlungen und sichern Sie deren Umsetzung. Nutzen Sie das erworbene Wissen zur Prävention, so dass mögliche zukünftige Beschwerden bereits vorweggenommen werden können. Sorgen Sie für breite Akzeptanz. Definieren Sie in Abstimmung mit den entsprechenden Abteilungen Vorgaben für die folgende Periode bzw. Jahresziele. Knüpfen Sie gegebenenfalls daran sinnvolle Prämien.

Lob ist das beste Kunden-Feedback

Integrieren Sie unbedingt auch die positiven Kunden-Kommentare in Ihr Feedback-Management. Antworten Sie den Kunden, die sich die Zeit für ein Lob nehmen, besonders herzlich. Veröffentlichen Sie lobende Kommentare in internen Medien. Halten Sie alle Mitarbeiter an, das Lob, das sie über einen Kollegen hören, unverzüglich an ihn persönlich weiterzugeben. Jeder im Unternehmen kann so zu einem positiven Betriebsklima beitragen - sogar die Buchhalterin, die einen lobenden Hinweis auf dem Überweisungsträger entdeckt.

Bei der Hotelkette Ibis lagen auf den Zimmern eine zeitlang Karten, deren Zweck es war, sowohl positives als auch negatives Kunden-Feedback einzufangen. Sie zeigten nicht die üblichen Kästchen zum Ankreuzen, sondern die Zeichnung eines Menschen mit einem Engelchen und einem Teufelchen links und rechts auf der Schulter. Darunter stand: Nehmen Sie einmal an, Sie wären unser Gewissen. Was würden Sie uns sagen? Und dann kam viel Platz zum Schreiben. So erhielt Ibis jede Menge ganz konkreter und konstruktiver Kommentare, die sofortige Korrekturen ermöglichten. Zum Wohle der folgenden Gäste. Oft gab es Lob für einen namentlich genannten Mitarbeiter. Das erste, was die Zimmermädchen am Ende ihrer Arbeit ablieferten, waren die Gewissenskarten. Die Mitarbeiter waren ganz heiß darauf.

Die Olé-Technik bei Beschwerden

Jede Reklamation, wie auch immer verpackt, ist ein Angriff. Man hat dem Kunden Böses angetan und das schreit nach Wiedergutmachung. Weil er sich verletzt fühlt, wird er verletzen wollen. Das ist nur allzu menschlich, denn: Voll gepumpt mit Stresshormonen, ist unser Körper bereit, die Keule zu schwingen. Da wir nun nicht mehr im Urwald leben, packen wir zivilisierten Kopfarbeiter des 21. Jahrhunderts diese gern in verbaler Form aus – je nach Situation und Adrenalin-Dosis auf mehr oder weniger subtile Art und Weise. Die zugefügten Verletzungen sind emotionaler Natur und heilen meist besonders schwer.

Oft nehmen Mitarbeiter massive Kunden-Beschwerden allzu persönlich. Die Olé-Technik wurde speziell für solche Fälle entwickelt. Hat ein verbaler Angreifer nicht ein wenig die Eigenschaft eines Stieres, der in der Stierkampf-Arena wutschnaubend auf den Torero zustürmt, um ihn auf die Hörner zu nehmen? Unser Held hat nur zwei Möglichkeiten, diesem Angriff heil zu entkommen und seine Weichteile zu retten: Haltung annehmen, ganz präsent sein und dann: Ein Schritt nach rechts oder ein Schritt nach links und olé geht der Stier an ihm vorbei.

Die Olé-Technik hilft, Verbal-Attacken wirkungslos an sich abprallen zu lassen und böse sprachliche Entgleisungen des Kunden ab in den Äther zu schicken. Richten Sie sich dabei auf und atmen Sie langsam in den Bauch, ein Torero macht es genauso. Antworten Sie mit ruhiger tiefer gelegter Stimme, sprechen Sie langsam. Und nun entgiften Sie die Aussage des Kunden. Entgiften heißt, diese zu versachlichen, den sprachlichen Müll zu entsorgen - und so die Schärfe des Angriffs zu mildern („Mit anderen Worten …“).

Benutzen Sie dabei auch Worte des Kunden, ohne jedoch papageienhaft alles Gesagte nachzuplappern. Fragen Sie danach unbedingt, ob Ihre Umformulierung so richtig war. Sie können dabei neben dem sachlichen Teil auch einen emotionalen Aspekt würdigen. „Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Müller, dann … Und das hat Sie enttäuscht, nicht wahr?“ Das ist emotionales Paraphrasieren. Die Olé-Technik hilft Ihnen, dabei einen klaren Kopf zu behalten, gelassen zu bleiben und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Aus Reklamierern Empfehler machen

Wer alles Gesagte aus Teil eins und Teil zwei dieser Serie beherzigt, gehört zur ‚Crème de la Crème’ der Reklamationsbearbeiter. Er überrascht und begeistert und differenziert sich auf überragende Weise von der Masse all derer, die Reklamationen immer noch als Ruhestörung auffassen. So machen Sie aus einem reklamierenden Kunden am Ende einen Empfehler, der nicht nur von Ihren Angeboten schwärmt, sondern darüber hinaus Ihre überaus professionelle Reklamationsbearbeitung in den höchsten Tönen lobt. Denn Fehler können passieren, das weiß auch der Kunde. Es fragt sich eben nur, wie man mit ihnen umgeht.


Die Autorin

Anne M. Schüller ist Diplom-Betriebswirt und gilt als führende Expertin für Loyalitätsmarketing. Die 6-fache Buchautorin ist als Dozentin, Marketing Consultant, und Trainerin tätig und gehört zum Kreis der ‚Excellent Speakers’. Sie hält hochkarätige Vorträge auf Kongressen, Firmen- und Kundenveranstaltungen zu den Themen Kundenloyalität, Empfehlungsmarketing und Emotionales Verkaufen.

Kontakt: info@anneschueller.de oder www.anneschueller.de


Buchtipp:

Anne M. Schüller
Zukunftstrend Empfehlungsmarketing
Der beste Umsatzbeschleuniger aller Zeiten
BusinessVillage 2005, 135 Seiten,
ISBN 3-934424-65-1, € 21,80
eBook: PB-587, € 14,80 (www.businessvillage.de)

Hier bestellen: http://www.anneschueller.de/rw_e13v/main.asp?WebID=schueller3&PageID=122

Img of Anne M. Schüller
Über Anne M. Schüller

Anne M. Schüller ist Keynote-Speaker, Bestsellerautorin und Businesscoach. Sie gilt als eine der Top-Experten für Touchpoint Management in Europa.