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Feedback-Wüste Deutschland?

Im globalen Vergleich priorisieren deutsche Führungskräfte das Mitarbeiter- und Kunden-Feedback am geringsten.
Prozentsatz der Befragten, die es für „wichtig“ oder „sehr wichtig“ halten, dass sich ihr Unternehmen in folgenden Bereichen verbessert. © QDL Technologies GmbH, Qualtrics bei Wework
 
„Servicewüste Deutschland“ klagte Mitte der 90er Jahre der SPIEGEL und löste damit eine Debatte über die fehlende Dienstleistungsmentalität in deutschen Unternehmen aus. Was hat sich 25 Jahre später geändert? Sind deutsche Unternehmen mit den an sie gestellten Ansprüchen gewachsen? Das XM-Institut von Qualtrics, dem führenden Anbieter von Experience-Management-Lösungen, hat eine globale Umfrage unter 1.200 Führungskräften in sechs Ländern gestartet und folgendes festgestellt: XM, das Management der Erfahrungen von Mitarbeitern und Kunden mit dem Unternehmen, der Marke und dem Produkt, wird zwar von Führungskräften auf der ganzen Welt als wichtig angesehen – was angesichts der Korrelation mit Umsatzwachstum und Rentabilität nicht verwunderlich ist –, der Grad, in dem Unternehmen sich auf Experience Management konzentrieren, unterscheidet sich jedoch von Land zu Land.

Unter den befragten Führungskräften aus Australien, Deutschland, Großbritannien, Japan, Kanada und den USA priorisieren deutsche Führungskräfte das Einholen von Kunden- und Mitarbeiterfeedback am wenigsten. Darüber hinaus unterscheidet sich von Land zu Land, in welchen Erfahrungsbereichen Führungskräfte das größte Verbesserungspotenzial sehen: Die Befragten aus Deutschland und den USA konzentrieren sich am stärksten auf die Kundenzufriedenheit, die Befragten aus Australien und Kanada auf die Mitarbeitererfahrung, die Befragten aus Japan auf die Produkterfahrung und die Befragten aus Großbritannien sehen es als wichtig oder sehr wichtig an, die Marken- und die Mitarbeitererfahrung zu stärken. Zudem gibt die Studie Aufschluss über die Korrelation von Experience Management und Unternehmenskennzahlen und ermittelt, welche Hürden zwischen den Unternehmen und den Erfahrungen ihrer Mitarbeiter und Kunden stehen.

Feedback-Kultur wird in deutschen Unternehmen wenig Priorität eingeräumt

74% der kanadischen, 60% der englischen und 59% der US-amerikanischen Führungskräfte betrachten Experience Management als oberste organisatorische Priorität. Ihnen gegenüber stehen nur 44% der befragten deutschen Führungskräfte, und 44% der japanischen, die dem Auswerten der Erfahrungen ihrer Kunden und Angestellten eine vergleichbare Wichtigkeit einräumen.

29% der deutschen Chefs halten es für nicht besonders wichtig, dass ihr Unternehmen seine Fähigkeiten im Bereich Experience Management (XM) verbessert. Und das liegt nicht unbedingt daran, dass Deutschland sich in Sachen „Kunden und Mitarbeitern zuhören“ bereits aus einer Wüste in eine blühende Landschaft verwandelt hätte.

Im Zuhören höchstens Mittelmaß

Unter den sechs befragten Ländern rangieren deutsche Unternehmen auf Platz fünf von sechs, was das Einholen und Auswerten von Kunden-Feedback angeht und auf Platz drei, in Bezug auf das Wissen um die Erfahrungen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. 59% der befragten Führungskräfte geben an, dass ihr Unternehmen immer oder fast immer Mitarbeiter-Feedback einholt und berücksichtigt. Beim Kundenfeedback sind es 55%, die Feedback umsetzen.

Einen Ansatz, der sich über alle Interaktionspunkte mit dem Unternehmen an den Erfahrungen der Menschen orientiert, verfolgen mit 49% weniger als die Hälfte der deutschen Firmen und landen damit global gesehen auf Platz vier von sechs. Am wenigsten unter den befragten Ländern achten die Unternehmen aus Japan auf die Erfahrungen ihrer Mitarbeiter und Kunden; sie nehmen in allen drei Befragungskategorien den letzten Platz ein.


Je stärker im XM, umso höher auch Umsatzwachstum und Rentabilität

Mehr als 70% der global befragten Führungskräfte räumen Experience Management eine mindestens mäßig wichtige Priorität ein. Und das tun sie nicht ohne Grund: Unternehmen, die im XM besser sind, schneiden auch besser ab, was Umsatzwachstum und Rentabilität angeht. Von den Befragten, die das XM ihres Unternehmens als „deutlich überdurchschnittlich“ bewerten, geben vier von fünf an, dass ihre Profitabilität im vergangenen Jahr über dem Durchschnitt ihrer Branche lag und 78%, dass ihr Umsatzwachstum über dem Branchendurchschnitt lag.

Beide Ergebnisse sind 35%-Punkte höher als für Unternehmen, die ihr Experience Management als „durchschnittlich“ oder „unterdurchschnittlich“ bewerten.


Unternehmenskennzahlen profitieren stark von einer ausgeprägten Feedback-Kultur

Umsatzwachstum und Rentabilität eines Unternehmens korrelieren auch damit, ob dieses Kunden- oder Mitarbeiterfeedback oder aber beide Erfahrungskanäle aktiv nutzt oder nicht. 81% der Unternehmen, die beide Arten von Feedback erheben und verwerten, stufen ihr Umsatzwachstum als „überdurchschnittlich“ ein, während nur 58% der Unternehmen, die lediglich eine Art von Feedback verwerten, und 40% der Unternehmen, die ganz auf Feedback verzichten, angeben ihr Umsatzwachstum sei „überdurchschnittlich“.

Die Unterschiede werden noch deutlicher, betrachtet man die Rentabilität: 89% der Unternehmen, die aktiv Kunden- und Mitarbeiter-Feedback einholen und umsetzen, geben an, dass ihre Gewinne überdurchschnittlich hoch sind, verglichen mit 60% der Unternehmen, die nur eine Art von Feedback verwenden und 35% derer, die weder Feedback von Mitarbeitern noch von Kunden erheben und auswerten.


Verpasste Chancen: Woran es hakt

Danach gefragt, welche Punkte die XM-Bemühungen ihres Unternehmens wesentlich behindern würden, antwortete jede vierte deutsche Führungskraft (25%) „Konflikte zwischen internen Unternehmenseinheiten“.  23% der deutschen Befragten sehen die Schwierigkeiten in „fehlgeschalteten Anreizen und Belohnungen“ und 23% beklagen die „fehlende technische Ausrüstung“. Im globalen Vergleich scheitert es in deutschen Unternehmen am seltensten an den fachlichen Voraussetzungen oder an der Finanzierung. Dass die Japaner im weltweiten Vergleich hinterherhinken, was XM angeht, liegt nach Einschätzung der dort befragten Führungskräfte an dem Fehlen einer klaren Strategie sowie an fehlenden fachlichen Voraussetzungen.


Wie die Zukunft aussieht

Am ehrgeizigsten in Sachen Experience Management sind die Führungskräfte aus Kanada. 80% der befragten kanadischen Chefs halten es für sehr wichtig oder gar für kritisch, dass ihr Unternehmen sich in Sachen Mitarbeitererfahrung verbessert, 79%, dass es sich in Punkto Kundenerfahrung und 77%, dass es sich im Bereich Produkterfahrung verbessert. Die Markenerfahrung halten 69% der befragten kanadischen Führungskräfte für verbesserungswürdig.

Ihre deutschen Kollegen sehen den Bedarf vor allem im Bereich Kundenerfahrung (71%), gefolgt von der Produkterfahrung (67%), der Mitarbeitererfahrung (62%) und schließlich der Markenerfahrung (58%).