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Facebook – Die Macht des Open Graph

Das eigentliche Potential der Plattform wird von vielen derzeit nur ansatzweise erkannt: Der Open Graph.
Andreas Bersch | 17.11.2011
Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Online-Marketing Band 2:
http://TopOnlineExperten.de



Facebook wird derzeit vor allem im Kontext von Fanpages diskutiert. Marken suchen über Fanpages Reichweite aufzubauen und so über die Facebook-Webseite in den Dialog mit Kunden zu treten. So erfolgreich die Markenführung auf der Facebook-Webseite auch sein kann, auf diesem Wege wird nur ein kleiner Teil des Potentials von Facebook genutzt, vergleichbar mit der Spitze des Eisbergs. Denn das eigentliche Potential der Plattform (nicht der Webseite) von Facebook liegt unterhalb der Wasseroberfläche und wird von vielen derzeit nur ansatzweise erkannt: Der Open Graph.

Definition Open Graph
Der Facebook Open Graph bezeichnet die Gesamtheit der auf den Facebook-Servern gespeicherten (Nutzer-)Daten, auf die über die Open Graph API zugegriffen werden kann. Voraussetzung ist jeweils eine Zustimmung des Nutzers.

Um den Open Graph zu verstehen, müssen wir uns zunächst vor Augen führen, welche Daten Facebook speichert und in Zukunft noch zu speichern beabsichtigt. Zunächst ist da das Facebook-Nutzerprofil: Name, Geschlecht, Alter und Wohnort sind die gängigen Daten, die der ganz überwiegende Teil der Nutzer abspeichert. Anders als bei Myspace und Twitter werden auch kaum Nicknames verwendet. Ferner geben die Facebook-Nutzer weitere Daten ein wie Bildungsstand, Arbeitgeber, Beziehungsstatus und weitere „statische“ Daten.

Dazu kommen Daten aus dem Nutzerverhalten auf Facebook: Zum Beispiel welche Fanpage gefällt dem Nutzer, in welchen Gruppen ist er Mitglied, welche Fotos/Videos lädt er hoch, taggt sich auf Bildern oder postet Inhalte. Wieviele Daten dies für das eigene Profil sind, läßt sich erahnen, wenn man für das eigene Profil ein Datenbackup via Facebook zieht. Wohl gemerkt, dies alles sind noch Aktionen, die der Nutzer auf der Facebook-Webseite tätigt.


Like-Button

Aber Facebook hat die eigene Plattform zwischenzeitlich weit über die eigene Webseite facebook.com ausgedehnt. An erster Stelle ist hier die Einführung der Like-Buttons im April 2010 zu nennen. Derzeit haben circa 350.000 Webseiten den Like-Button integriert, jeden Tag kommen circa 10.000 neue hinzu. Der Vorteil für die Webseite liegt darin, dass der Nutzer seinen eigenen Facebook-Freunden einen Link in den Stream postet und so Traffic generiert wird. Denn im Schnitt erreicht ein solcher Post 130 Freunde auf Facebook und wenn drei Prozent der Freunde dem empfohlenen Link folgen, so erhält die Webseite auf diesem Weg vier neue Besucher: Der ursprüngliche Traffic hat sich also über den Like-Button vervierfacht.

Aber auch Facebook profitiert von der Verwendung der Like-Buttons, denn mit jeder Ausübung kommt Facebook an gänzlich neue Informationen heran. Bedient ein Facebook-Nutzer auf verschiedenen Buch-, Film-, Musik- und Modeseiten den Like-Button, wird dies jedesmal in seinem Facebook-Profil abgespeichert und das Profil angereichert. Facebook erfährt also, welche Bücher, Filme, Marken dem Nutzer gefallen beziehungsweise welche er durch den Send-Button an Freunde empfiehlt. Über die Like-Buttons wächst der Open Graph so in der Breite (mehr Nutzer speichern mehr Daten) wie in der Tiefe (immer mehr Daten in Bezug auf das einzelne Profil).


Facebook Places

Noch tiefer wird der Open Graph über Facebook Places. Über die Facebook-Applikation (zum Beispiel für Android oder iPhone) kann ein Nutzer in eine Location einchecken. Jeder Check-in wird im Facebook-Profil gespeichert und enthält neben der Location auch Tag und Zeit der Aktion.

Der Open Graph geht aber noch über das singuläre Profil des einzelnen Nutzers hinaus, da Facebook die Nutzer untereinander vernetzt. Im Schnitt hat der Facebook-Nutzer 130 Freunde auf Facebook. Dabei werden nicht alle Facebook-Freunde auch Freunde im echten Leben sein und auch nicht jeder reale Freund wird Facebook nutzen. Aber Facebook wird einen relevanten Teil der „realen“ Freundesbeziehung widerspiegeln. Im Ergebnis hat Facebook also nicht nur die Daten in Bezug auf eine Person, sondern kann diese auch zu den jeweiligen sozialen Verbindungen in Beziehung setzen. Und hier wird der Open Graph richtig spannend, denn so wird das Internet sozial.

Last but not least ist der soziale graph „open“. Bildlich ausgedrückt bedeutet dies, dass wir uns in den vernetzten Datenbestand von derzeit knapp zwanzig Millionen deutschen Facebook-Nutzern einloggen können, so als ob wir ein Netzwerkkabel in den Facebook-Server stecken und mit unserem eigenen Server verbinden. Dies ermöglicht die Open Graph-API, über die auf einen Teil dieser auf den Facebook-Servern gespeicherten Daten zugegriffen werden kann.


Bewertungen

Wie kann nun aber der Open Graph im Marketing nutzbar gemacht werden? Facebook selbst spricht hier vom sogenanntem „sozialen Design“. Gemeint ist, dass eine bestehende Webseite über den Open Graph mit sozialen Funktionen versehen werden kann. Dies wird am Beispiel einer Bewertungsseite deutlich, wie sie sich mit der Entwicklung des Social Web durchgesetzt haben. Nutzer bewerten Bücher, Filme, Musik, Bars oder Hotels. Neben den aktiven Nutzern sind die Bewertungen auch bei den passiven oft kaufentscheidend, das heißt vor der Buchung eines Hotels oder dem Kauf eines technischen Gerätes konsultieren die Nutzer zunächst Bewertungen anderer Nutzer. Mag bei der Bewertung eines Hotel noch die Masse der für den Nutzer anonymen Bewertungen zum richtigen Ergebnis führen, verhält es sich beim Buch, Film oder Restaurant mitunter gänzlich anders. Denn hier entscheidet der individuelle Geschmack und nicht die Meinung der Masse.

Die Bewertung der Masse ist für den Einzelnen nicht mehr nützlich, er wird sich bei der Auswahl eines Restaurants oder eines Buches eher an den Meinungen seiner Freunde orientieren. An dieser Stelle setzen die Möglichkeiten ein, über den Open Graph von Facebook einen sozialen Filter zu setzen. Im Buchshop werden dem Nutzer nicht die Bücher mit den meisten Empfehlungen gezeigt, sondern die Empfehlungen der Freunde des Nutzers. Der soziale Filter ist der Schwarmintelligenz überlegen und kennzeichnet die nächste Evolutionsstufe des Social Web.

Dem Einsatz des Open Graph sind dabei nur wenige Grenzen gesetzt. Im wesentlichen resultieren die Grenzen aus den Facebook-AGB und den Richtlinien für Entwickler, also die Richtlinien für die Verwendung der Open Graph-Schnittstelle. Im Ergebnis wird über den Open Graph die Möglichkeit geschaffen, auf die Daten von derzeit über zwanzig Millionen Nutzern in Deutschland zuzugreifen, inklusive deren jeweilige Vernetzung in Freundesbeziehungen. Der Open Graph wird das digitale Marketing ebenso revolutionieren wie den E-Commerce. Es wird Zeit, Facebook nicht nur im Kontext von Fanseiten mit Gewinnspielen zu betrachten.


Literatur

www.facebookbiz.de
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Über Andreas Bersch

Agentur für Social Media Marketing und Digitale Markenführung