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Mit Storys endlich wieder Aufmerksamkeit erregen

Packende Geschichten helfen gegen das Aufmerksamkeitsdefizit im E-Mail-Marketing. Das gelingt mit der magischen Zahl 3 und jeder Menge Schmerz.
Oliver Grytzmann | 23.10.2017
© Oliver Grytzmann
 

Sie kennen das Aufmerksamkeitsdefizit, das Marketing E-Mails erleiden, oder? Denken Sie an Event-Einladungen von XING oder die Newsletter einer NGO, die Sie in Ihrem E-Mail-Postfach erhalten. Die Empfänger denken sich nicht selten: • „Herrje, wieder will mir jemand etwas verkaufen!“ • „Noch eine Selbstbeweihräucherungsmail!“ *Augen roll* Das E-Mail-Marketing führt diese Reaktionen leider oft selbst herbei, weil...: • ...die Texter von Marketing-Mails die Betreffzeile mit dem Unternehmenstitel oder mit Klick-Bait füllen („Sie werden nicht glauben, was…“). Sie missachten damit das Eigeninteresse der potentiellen Leser und stoßen diese möglichen Leser sogar von sich ab. • ...die Marketing E-Mails schreiben aus der Unternehmensperspektive (Selbstbeweihräucherung), die einen Außenstehenden nicht interessiert. Im Fall von interner Kommunikation ist die Selbstdarstellung der Unternehmen häufig eine Schönmalerei aktueller Probleme. Mitarbeiter fühlen sich nicht ernst genommen in ihren Herausforderungen. Als Schauspieler und Unternehmensgründer möchte ich Ihnen ein bewährtes Gegenmittel zu den obigen Fehlentwicklungen die Hand geben: die Aufmerksamkeit anziehende Kraft von Geschichten! Wie Geschichten funktionieren und warum sie sich beim E-Mail-Marketing überhaupt an Stories probieren sollten, dazu gebe ich ihnen in diesem Text 3 Tipps!

Eine kurze Erzählung über den Erfolg von Geschichten

Wir Menschen denken in Geschichten, denken Sie z.B. an die Tagträume, denen wir uns täglich hingeben. In Tagträumen spielen Sie gedanklich „Was wäre, wenn“-Szenarien durch. 2 Beispiele: „Was wäre, wenn ich mit meiner Event-Einladung niemanden erreiche?“ (Negativer Tagtraum). „Was wäre, wenn ich mit Storytelling innerhalb meiner E-Mail-Kommunikation ein robustes Alleinstellungsmerkmal aufbauen kann?“ (Positiver Tagtraum). Im Schauspiel sagen wir: „Jeder Mensch ist die Hauptfigur – also: der Protagonist – seiner eigenen Geschichte.“ Warum nutzen wir dann so wenig den so grundlegenden Einfluss von Geschichten auf uns im E-Mail-Marketing? Ein Beispiel: Nehmen wir an, Sie sind der Geschäftsführer eines kleinen Dienstleistungsunternehmens. Ihr Bekanntheitsgrad ist gering und die Anzahl der Interessenten ist derart mau, dass Sie mit Ihrem Unternehmen in jedem Quartal tiefrote Zahlen schreiben. Ihre Sorge wird zu Hektik und einem Anflug von Panik auf der Suche nach einem Ausweg aus Ihrer brenzligen Situation. Da bekommen Sie über einer der von Ihnen abonnierten XING-Gruppen per E-Mail eine Event-Einladung für das Webinar zugesendet: „Wie das Benutzen von Social-Media-Kanälen unabdingbar für Ihren Unternehmenserfolg ist.“ Tief in sich wissen Sie, dass die Strategie auch die korrekte für Ihr Unternehmen ist. Vordergründig geben Sie sich aber negativen Tagträumen hin, um Ihre Social-Media-Strategie aufzuschieben: • „Was wäre, wenn ich meine Marketing-Experten Social-Media machen lasse? Das können die doch gar nicht – das müssten schon Experten für uns machen.“ • Und den negativen Tagtraum, den ich am liebsten höre: „… dafür haben wir doch gar keine Zeit!“ Sie sehen: mit „negativen Tagräumen“ meine ich eigentlich Ausreden, mit denen Sie und ich uns selbst davon überzeugen möchten, nichts an unserer aktuellen Handlungsweise zu ändern. Wir sind also gerne die Helden (Protagonisten) unserer eigenen Geschichte, aber wir weigern uns das zu tun, was ein Held in der Regel tut – die für ihn harte Entscheidungen zu treffen, um durch sie charakterlich (und geschäftlich) zu wachsen! Der Grund hierfür: Unser befürchteter Schmerz vor dem Scheitern beim Ausprobieren einer fremden und gänzlich unbekannten Strategie ist größer als das sichere Scheitern beim Weitermachen mit den uns vertrauten Mitteln. Geschichten sollen uns also die Angst vor dem Neuen / vor der Herausforderung nehmen, um unser Heldendasein tatsächlich auszuleben. Das erreichen Sie, indem Sie dem Helden (Ihrem Leser) an seinen tiefsten Schmerz führen und ihm zeigen: du kannst da erfolgreich durch.

Tipp Nr. 1: Bringen Sie den Schmerz herbei!

Suchen Sie zunächst den tiefsten Schmerz, den ihr Protagonist in seiner aktuellen beruflichen Situation erleiden muss. Der Schmerz des Protagonisten ist primär emotionaler Natur. Die Business-Lösung (also: den rationalen Ausweg aus seinem Schmerz) besitzt der Geschäftsführer in unserem Beispiel ja schon durch die Eventeinladung. Die emotionale Hürde ist das „Old School“-Denken des Geschäftsführers, der • Kaltakquise per Telefon betreibt • Kontakte aus seinem Visitenkarten-Ordner heraussucht • und das Besuchen von Messen und Veranstaltungen bevorzugt. Im Theatersprech sagen wir: die obigen Einstellungen sind das „I Am“ des Charakters, also: die emotionale Begründung („Being ‚Old School‘“) für Handlungsweisen (siehe: Bullet Points). Richtigerweise können Sie weiter fragen: Wie trifft den Protagonisten nun der Schmerz genau? Indem Sie in Ihrer Geschichte stets an Personen denken, deren Entscheidungen Konsequenzen (positive wie negative) hervorrufen. Beispiel: der Geschäftsführer verliert etliche Interessenten, weil diese nach seiner Dienstleistung online suchen und das Unternehmen des Geschäftsführers dort aber nicht mit adäquaten Informationen und Formaten finden. Außerdem besitzt er nur ausgedrucktes Material, das nicht gelesen wird und dem Unternehmen weitere verbrannte Leads einbringt. Das führt wiederrum dazu, dass die Auftragslage im Unternehmen so dünn ist, dass der Geschäftsführer Marketing-Experten kündigen muss. Es fehlen nun noch mehr Ressourcen für Content. Ein Teufelskreis entsteht.

Tipp Nr. 2: Erzählen Sie Ihre Storys mit der magischen Zahl 3

Geschichten werden in Akten erzählt und die Mindestanzahl an Akten liegt bei 3. Ein Akt schließt eine konkrete und zusammenhängende Anzahl an Handlungsweisen des Protagonisten ein und grenzt diese vom Lernprozess des Hauptcharakters ab. Lernt der Protagonist demnach neue Fähigkeiten, die ihn zu neuen Handlungen befähigen, finden diese neuen Handlungsweisen in einem neuen Akt statt. Beispiel: • Akt 1: Sie sehen hier die Handlungsweisen des Protagonisten im Status Quo. Die Handlungsweisen im obigen Beispiel zeigen unseren Geschäftsführer also dabei, wie er „Old School“ erfolgreich Leads generiert. Schnell zeigt sich aber eine Kluft zwischen dem „I Am“ – also: dem Selbstverständnis des Protagonisten – und der Realität: Aufträge und Interessenten bleiben aus. Allerdings ist der Schmerz noch nicht so groß, als das für den Helden eine neue Handlungsweise die lukrativere Alternative wäre. Daher erzählen sie vom ansteigenden Schmerz (siehe Erklärung weiter oben). Im Endeffekt muss die Einsicht siegen: Der Schmerz, so weiter zu machen, ist größer, als etwas Neues auszuprobieren! • In Akt 2 erleidet der Protagonist zu Beginn Rückschläge, weil sein „I Am“ ihm in der neuen Welt nicht weiterhilft; aber graduell trifft er neue Entscheidungen durch die Hilfe anderer Personen (z.B. der Webinar-Leiterin) und erntet dafür positive Konsequenzen, die sein „I Am“ um neue Ansichten wachsen lässt. Zugleich nimmt sein Schmerz deutlich ab. • In Akt 3 kehrt der Protagonist in seinen Alltag zurück; im Fall des Geschäftsführers also in sein operatives Geschäft. Der Geschäftsführer ist weiterhin „Old School“, aber besitzt nun keinen Schmerz mehr im Umgang mit der Digitalisierung von Marketing und Sales. Er ist zum „Herrscher beider Welten“ geworden.

Tipp Nr. 3: Inspirationen zu Geschichten im E-Mail-Marketing

Arbeiten Sie im E-Mail-Marketing mit Cliffhangern, um Ihre Geschichte zu erzählen. Cliffhanger sind Story-Stopps an dramatischen Momenten einer Geschichte; Sie kennen Cliffhanger v.a. vom Episoden-Ende einer TV-Serie. Beginnen Sie mit einem Stopp in der Betreffzeile. Beispiel: „Der IT’ler, der ein Unternehmen voranbrachte.“ Einer Ihrer IT-Leute hat eine Innovation beworben und Sie (aus dem Management) haben die Implementation derselben gewagt – mit großem Erfolg für die Geschwindigkeit Ihrer Prozessabläufe? Erzählen Sie diese Geschichte ab der Betreffzeile so. Mit dieser Wortwahl weisen Sie zwischen den Zeilen auf den Schmerz des Unternehmens hin (Innovationsbedürfnis), Sie etablieren den Protagonisten (Ihren IT-Experten) und zwischen den Zeilen implizieren Sie ebenso den Widerstand (Einflussgefälle zwischen „einfachem“ IT-Experten und dem Management). Innerhalb Ihrer Mail können Sie die Geschichte wie folgt fortfahren, um Ihre Leser zu ermutigen dem Link zu folgen – Beispiel: „Der CIO des Automobilzulieferers Best Car Parts GmbH (Name erfunden) kämpft mit verschiedenen Datenbanksystemen in seinem Unternehmen: Daten gehen beim Austausch zwischen den Systemen verloren, Datenbanken sind inkompatibel zueinander und die verschiedenen Abteilungen brauchen in diesem Daten-Labyrinth Tage anstatt Minuten, um Ihre Informationen zu finden. Der Druck vom Management wächst auf den IT-Leiter, denn er soll die Informationsprozesse schneller machen, aber zugleich darf er nichts an der bestehenden Datenbank-Infrastruktur verändern. Eine Besserung der Datenpflege sieht der CIO unter diesen Umständen keinesfalls; wie er sein Dilemma trotzdem löste, erfahren Sie beim Klick auf den Link!“ Und was erzählen Sie? Für weitere Inspirationen aus unserem Haus von Candid Rhetorics hören Sie unseren Podcast „Der Story Code“ oder bestellen Sie unser Fachbuch "Storytelling mit der 3-Akt-Struktur"). Bildquelle: fotolia / Antonioguillem