Marketing-Börse PLUS - Fachbeiträge zu Marketing und Digitalisierung
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Digital Brand Storytelling – der Kunde als Erzähler

Digitale Medien ermöglichen es dem Kunden, aktiv bei Storys von Unternehmen mitzuwirken. Das erfordert neue Kompetenzen, birgt aber viele Vorteile.
© Dieter Georg Adlmaier-Herbst
 

Digital Brand Storytelling ist das Erzählen von Markengeschichten mit den Besonderheiten der digitalen Medien und digitalen Technologien. Diese Besonderheiten sind die "Big Four": Integration, Verfügbarkeit, Vernetzung, Interaktivität. Das Digital Brand Storytelling will durch diese Besonderheiten beitragen, die Marke bekannter zu machen und das einzigartig attraktive Markenimage zu entwickeln. Besonders die Interaktivität bietet die Chance, den Kunden in das Storytelling einzubeziehen.

User schaffen neue Erzählformen

Digitale Medien ermöglichen neue Erzählformen, indem sie Menschen und Inhalte miteinander vernetzen. User können also die Inhalte beeinflussen: Sie können in die Handlung eingreifen, sie mitgestalten oder sie vollkommen bestimmen. Die Gestaltung bewegt sich also zwischen den beiden Polen des erzählenden Unternehmens einerseits und des erzählenden Users andererseits. Vier Formen der Beteiligung des Users lassen sich unterscheiden und auch kombinieren: • Ontological Interactivity: Der User kann die Markengeschichte beeinflussen. • Exploratory Interactivity: Er kann sie nicht beeinflussen. • Internal Interactivity: Der User spielt in der Geschichte selbst mit, zum Beispiel durch einen Avatar. • External Interactivity: Der User bewegt sich außerhalb der virtuellen Welt, indem er zum Beispiel die Datenbank navigiert oder als Gott die Geschicke der Geschichte lenkt.

Markengeschichten mit User Generated Content

Praxiserfahrungen zeigen, dass das Generieren von Inhalten der User (User Generated Content) kein Selbstzweck sein darf. Es sollte für den User emotional belohnend sein, sich an der Geschichte zu beteiligen; die Inhalte sollten zur Handlung beitragen. Digital Brand Storytelling erfordert also den aktiven User: Dieser muss nicht warten, bis etwas passiert, sondern er kann selbst etwas passieren lassen. Digitales Storytelling bezieht den User ein und bietet Markengeschichten zum Handeln, nicht nur zum Lesen: Inhalte in einem Video, bei denen sich der Nutzer zurücklehnen kann, können abwechseln mit Inhalten, bei denen der Nutzer aktiv seine Rezeption steuern muss - zum Beispiel eine interaktive Grafik mit mehreren Ebenen.

Konsequenzen des Digital Storytelling

Digital Brand Storytelling ist nicht allein eine Frage der Technologie, sondern beinhaltet auch kulturelle, soziale und kommunikative Aspekte. Zu den wichtigsten Neuerungen gehören: • Neues Verhalten: In klassischen Markengeschichten gibt es einen Erzähler, das Publikum lehnt sich zurück. Bei digitalen Markengeschichten ist der Nutzer aktiv - er klickt, was er sehen, wie er handeln möchte. Durch das aktive Aufrufen von Informationen verläuft der größte Teil der digitalen Kommunikation als Pull-Kommunikation. Das erforderliche höhere Involvement kann zu höherer Aufmerksamkeit führen. Für den Markenverantwortlichen bedeutet dies, dass er Geschichten zum Handeln erzählen sollte. Die erforderlichen Handlungen sollten wichtig für den Fortgang der Geschichte sein und nicht trivial und unbedeutend für den User; das Handeln sollte einen Flow ergeben, also weder über- noch unterfordern. • Neue Rollen: Die User werden zu Geschichtenerzählern: Sie erzählen von eigenen Erfahrungen und Erlebnissen. Sie sind ein aktiver Teil der digitalen Medien, aber sie werden kein Teil des Radios, wenn sie einschalten. Die User digitaler Technologien können in das Erzählen einbezogen sein und sogar eigene Inhalte entwickeln: Sie schreiben Episoden oder ganze Geschichten; sie spielen mit, sorgen durch Empfehlungen und Rezensionen für die Verbreitung der Markengeschichten. Durch die Vernetzung der Technologien können sie auf andere Plattformen verlinken. Für den Markenverantwortlichen bedeutet dies, dass er sein Publikum in die Geschichten einbezieht, sie zum Erzählen motiviert und deren Beiträge aufgreift, um sie weiter zu entwickeln. • Neue Kultur: Der Verlauf von Markengeschichten ist nicht immer vorhersehbar und steuerbar. Folge: Markenverantwortliche müssen die Kontrolle aus der Hand geben. Dies kann Sinn machen, wenn die Marke für Spiel und Mitmachen steht; dies kann die Marke essenziell bedrohen, wenn sie für Autorität, Expertentum und Führung steht. • Neue Interaktionen: Durch engen Austausch fördern Markengeschichten die Kommunikation zwischen Menschen: Sie lernen einander kennen, sie lernen, mit anderen Menschen kreativ zu sein und gemeinsam Geschichten zu entwickeln. Markenverantwortliche sollten dies als Chance begreifen, mit den Usern eine kontinuierliche Kommunikation aufzubauen und systematisch zu entwickeln. Dabei können sie Neues lernen und dies in die Markenführung einfließen lassen - falls ihnen das sinnvoll und machbar erscheint. Hinsichtlich dieser Veränderungen benötigen Markenverantwortliche für das Erzählen von erfolgreichen Markengeschichten spezielle Fähigkeiten und Fertigkeiten. Eine gute Story braucht eine Methodik, eine Dramaturgie (Hero Journey) und eine Struktur (Handlung, Darstellung und Wirkung). Zudem muss der Markenverantwortliche fit im Umgang mit den digitalen Medien und den neusten digitalen Technologien sein (Stichwort Digital Literacy).

Vorteile des Digital Brand Storytelling auf einen Blick:

Integration • Plattform: Sämtliches Storytelling über das Unternehmen und seine Leistungen kann hier zusammenfließen (Geschichten aus PR, Werbung, Verkaufsförderung). • Multimedialität: Storytelling erfolgt mit Texten, Bildern, Audio und Video. • Dienste: E-Mails lassen sich einbetten, Newsgroups und Chats. Verfügbarkeit • Raum: Ihre Geschichten sind weltweit abrufbar, unabhängig vom Ort. • Zeit: Die Geschichten sind rund um die Uhr verfügbar. • Speicher: Ein nahezu grenzenloser Speicher sorgt dafür, dass Sie Ihre Geschichten in beliebiger Breite und Tiefe erzählen können. Vernetzung Inhalte: Verbinden lassen sich Texte, Fotos, Audio und Video. Vernetzen lassen sich Inhalte auf einer Page, Inhalte einer Website. Websites: Inhalte einer Website lassen sich kombinieren mit Inhalten anderer Websites und sogar mit Inhalten auf mobilen Endgeräten. Andere digitale Technologien: Geschichten lassen sich erzählen mit der Browsertechnologie, aber auch unabhängig von dieser, zum Beispiel auf Multiscreens bei Veranstaltungen. Interaktivität • Technisch: Austausch findet statt zwischen der Website und dem Nutzer, zum Beispiel durch Mausklicks. • Persönlich: Nutzer können sich über die Geschichten austauschen. • Inhaltlich: Nutzer können die Geschichte beeinflussen, selbst eine Geschichte erzählen oder die Geschichte eines anderen Nutzers aufgreifen und weiterentwickeln.