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CDPs zwischen AI, Datenschutz und CX

CDPs werden durch AI, Datenschutz und CIAM zur Schaltzentrale der CX. Der EU AI Act zwingt Unternehmen zu Transparenz, Governance und Personalisierung
Harald Henn | 22.05.2025
CDP - Integration in das CX Ecosystem © https://eywamedia.com/platform.html
 

In der heutigen Geschäftswelt ist die Customer Experience (CX) kein nettes Extra mehr – sie ist das zentrale Spielfeld. Und im Zentrum dieses Spielfelds steht die Customer Data Platform (CDP), der unsichtbare Dirigent, der die perfekte Symphonie der Kundeninteraktionen orchestriert. Doch der Weg zur CX-Perfektion ist gespickt mit Herausforderungen, technologischen, organisatorischen und rechtlichen. Gleichzeitig formen unaufhörliche technologische Fortschritte die Zukunft dieser mächtigen Plattformen.

Dieser Beitrag ist Ihr Kompass durch dieses komplexe Terrain. Wir werden die spezifischen Hürden beleuchten, die Unternehmen bei der Implementierung und Nutzung von CDPs überwinden müssen, und wir werden einen Blick in die Zukunft werfen, auf die Trends, die die CX von morgen prägen werden.

Der Gordische Knoten der Technologie: Herausforderungen bei der CDP-Implementierung 

1. Das Daten-Labyrinth: Integration und die Überwindung von Silos 

Stellen Sie sich vor, Ihr Unternehmen ist ein Orchester, aber die Streicher spielen eine Melodie, die Bläser eine andere, und die Percussionisten trommeln im eigenen Rhythmus. Das Ergebnis? Chaos. Dies ist die Realität vieler Unternehmen, in denen Kundendaten in Silos gefangen sind – isoliert in Abteilungen, unzugänglich für das große Ganze.

CDPs sind dazu gedacht, diese Mauern einzureißen, die Daten aus allen Winkeln Ihres Unternehmens zusammenzuführen: CRM-Systeme, E-Commerce-Plattformen, Social-Media-Kanäle. Doch diese Integration ist kein Spaziergang im Park. Sie erfordert technisches Know-how, strategische Planung und oft auch einen beherzten Schnitt durch den Gordischen Knoten bestehender Systeme.

Ein anschauliches Beispiel: Stellen Sie sich einen personalisierten E-Mail-Newsletter vor. Schön und gut. Aber was, wenn dieser Newsletter Produkte bewirbt, die der Kunde bereits gekauft hat? Oder Produkte, für die er sich online interessiert, aber die Information nie den Weg in die E-Mail fand? Das Problem sind nicht die Daten, sondern die fehlende Verbindung. Onlinemarketing, E-Mail-Marketing, Auftragsabwicklung und Content Management – sie sprechen nicht miteinander.

2. Die Qual der Wahl: Technologieauswahl und -implementierung

Die Wahl der richtigen CDP-Technologie ist wie die Wahl des richtigen Instruments für einen Solisten. Es muss perfekt passen. Unternehmen stehen vor einer entscheidenden Frage: Eigenentwicklung oder Zukauf?

  • Eigenentwicklung: Der Weg des Solisten, der sein Instrument selbst baut. Dies erfordert ein engagiertes Projektmanagement, erhebliche Investitionen im Vorfeld, aber potenziell geringere laufende Kosten. Die Kehrseite? Bis der erste Ton erklingt – der "Proof of Value" erbracht ist – können Monate wenn nicht Jahre  vergehen.
  • Zukauf: Der Griff zum Meisterinstrument. Geringere Anfangsinvestitionen, aber höhere laufende Kosten. Der Vorteil? Die ersten Töne, die ersten Ergebnisse, sind schneller zu hören.

Die "Time-to-Value" ist ein entscheidender Faktor. Eigenentwicklungen brauchen ihre Zeit, oft mehrere Monate bis zum ersten Beweis des Werts. Zukauf-Lösungen hingegen können in kürzerer Zeit erste Ergebnisse liefern.

3. Das Rennen gegen die Uhr: Echtzeit-Datenverarbeitung und Performance

In der Welt der CX ist Geschwindigkeit alles. Kunden erwarten sofortige Lösungen und Antworten, relevante Interaktionen im Augenblick. Das bedeutet: CDPs müssen Daten nicht nur sammeln, sondern in Echtzeit verarbeiten und aktivieren.

Stellen Sie sich vor, ein Kunde besucht Ihre Website, legt ein Produkt in den Warenkorb, verlässt die Seite aber wieder. Eine CDP in Echtzeit erkennt dieses Verhalten und löst sofort eine personalisierte E-Mail mit einem Angebot aus, um den Kunden zur Rückkehr zu bewegen. Das ist der Zauber der Echtzeit-Datenverarbeitung.

Doch dieser Zauber erfordert eine leistungsstarke technische Infrastruktur, die Latenzzeiten minimiert und blitzschnelle Reaktionen ermöglicht.

Das Orchester zusammenhalten: Organisatorische Herausforderungen 

1. Die Dirigenten und Musiker: Projektorganisation und Teamstruktur

Ein Orchester braucht nicht nur talentierte Musiker, sondern auch einen fähigen Dirigenten und eine klare Organisation. Genauso braucht die CDP-Implementierung ein starkes Projektteam mit klar definierten Rollen; Stichwort Governance. Siehe dazu auch den Beitrag von Nils Hafner: CX Governance: Was steckt dahinter? https://www.marketing-boerse.de/fachartikel/details/2511-cx-governance-was-steckt-dahinter/199858

Rollenverteilung:

  • Die Visionäre: Fachliche Anforderer aus den Fachabteilungen (Marketing, Entwicklung, E-Commerce)
  • Der Taktgeber: Der Projektmanager
  • Die Architekten: IT-Architekten
  • Die Analysten: Datenanalysten und System-Owner
  • Die Virtuosen: Entwickler
  • Der Stimmführer: Der CDP-Operator
  • Die Hüter des Gesetzes: Die Rechtsabteilung
  • Der Aufsichtsrat: Der Lenkungsausschuss / CX Governance

Die Realität? Oft sind die besten Musiker bereits in andere Projekte eingebunden. Die Ressourcenplanung, insbesondere für Entwickler, wird zum kritischen Erfolgsfaktor.

2. Die neue Partitur: Organisatorische Anpassung und Change Management

Die Implementierung einer CDP ist nicht nur ein technisches Unterfangen, sondern eine Transformation der CX-Strategie. Es ist, als würde man einem Orchester eine völlig neue Partitur geben.

Laut einer Studie von Harvard Business Review Analytic Services planen 71 % der Unternehmen, ihre CX-Datenstrategie zu ändern*. Der Grund? Strengere Datenschutzanforderungen und die steigenden Erwartungen der Kunden.

Der Übergang vom traditionellen Kundenkommunikationsmanagement (CCM) zum umfassenderen Kundenerlebnismanagement (CXM) erfordert eine strategische Neuausrichtung und ein sorgfältiges Change Management.

3. Das Duett von Marketing und IT: Die Konvergenz der Abteilungen 

Stellen Sie sich vor, der Komponist (Marketing) und der Instrumentenbauer (IT) würden nicht miteinander sprechen. Das Ergebnis wäre eine Kakophonie. Die erfolgreiche CDP-Implementierung erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Marketing und IT, ein harmonisches Duett.

Marketingexperten definieren die Anforderungen, die Melodie der CX-Strategie. Die IT-Abteilung sorgt für die technische Umsetzung, baut die Instrumente. Diese abteilungsübergreifende Zusammenarbeit ist für viele Unternehmen eine große Herausforderung.

Der rechtliche Rahmen: Herausforderungen und Compliance 

1. Der Schutz der Partitur: Datenschutz und DSGVO-Anforderungen 

Die DSGVO ist das Gesetzbuch der Datenverarbeitung, die Partitur, an die sich alle halten müssen. CDPs sammeln und verarbeiten personenbezogene Daten, daher ist die Einhaltung der DSGVO nicht verhandelbar.

Die Einholung und Verwaltung von Kundeneinwilligungen ist dabei ein zentraler Aspekt. Gemäß TTDSG und DSGVO benötigen Unternehmen für viele CDP-Funktionen die explizite Einwilligung der betroffenen Personen.

Ein besonders kniffliges Thema ist die Verwendung von CooAIe-Consent-Mechanismen für CDP-Zwecke. Gilt die Einwilligung für CooAIes auch für die weitergehende CDP-Nutzung? Die Meinungen gehen hier auseinander, und Unternehmen stehen vor rechtlichen Unsicherheiten.

2. Die Bühne der Transparenz: Verbrauchervertrauen

In der heutigen Zeit sind Datenschutz und Transparenz keine Schlagworte mehr, sondern Erwartungen der Kunden. Die Diskussionen über Datensicherheit und der Ruf nach mehr Transparenz beeinflussen die CDP-Strategie von Unternehmen maßgeblich.

Mangelnde Transparenz ist wie ein Riss in der Bühne – sie zerstört das Vertrauen der Zuschauer (der Kunden) und gefährdet den Erfolg der gesamten CX-Strategie.

3. Der EU AI Act: Ein neuer Taktstock für die CDP-Orchestrierung

Der EU AI Act wird die CDP-Landschaft nachhaltig verändern. Da CDPs zunehmend AI einsetzen, um Kundendaten zu analysieren und vorherzusagen, fallen viele CDP-Anwendungen potenziell unter die Regulierung des AI Acts. Dies bedeutet:

  • Risikobewertung: Unternehmen müssen CDP-Anwendungen auf ihr Risikopotenzial bewerten. Hochrisiko-Anwendungen, z.B. solche, die für automatisierte Entscheidungen im Bereich Kreditwürdigkeit oder Preisgestaltung eingesetzt werden, unterliegen strengen Anforderungen.
  • Transparenzpflichten: Der AI Act fordert ein hohes Maß an Transparenz. Unternehmen müssen offenlegen, wie AI in ihren CDPs eingesetzt wird, welche Daten verwendet werden und wie Entscheidungen zustande kommen.
  • Datengovernance: Strenge Regeln für die Datengovernance werden unerlässlich. Unternehmen müssen sicherstellen, dass die in CDPs verwendeten Daten qualitativ hochwertig, korrekt und frei von Verzerrungen sind, um Diskriminierung durch AI-Systeme zu vermeiden.
  • Menschliche Aufsicht: Der AI Act betont die Notwendigkeit der menschlichen Aufsicht über AI-Systeme. Unternehmen müssen sicherstellen, dass es Kontrollmechanismen gibt, um Fehlentscheidungen der AI zu korrigieren.

Der EU AI Act ist somit nicht nur eine rechtliche Herausforderung, sondern auch ein Anstoß für Unternehmen, ihre CDP-Strategien grundlegend zu überdenken und ethische Prinzipien in den Mittelpunkt zu stellen.

Die Zukunftsmusik: Technologische Trends bei CDPs

1. Die AI-Revolution: Intelligente CDPs

Künstliche Intelligenz (AI) ist der aufstrebende Star am CDP-Himmel. Bis 2025 werden CDPs immer häufiger fortschrittliche AI integrieren, um Kundenbedürfnisse vorherzusagen. Stichwort Predictive Analytics. AI-gestützte Systeme werden durch Low-Code/No-Code-Schnittstellen auch für nicht-technische Nutzer besser zugänglich gemacht. Die "Smart Hub CDP", die Datenverwaltung, Intelligenz und Orchestrierung vereint, gilt als der zukunftssichere Ansatz für die nächste CX-Ära.

2. Das modulare Meisterwerk: Interoperabilität als Schlüssel zum MarTech-Erfolg

Die Zeit der monolithischen Plattformen ist vorbei. Unternehmen setzen zunehmend auf flexible, modulare Technologie-Stacks ("Composable Stacks"), die sich schnell an neue Marktanforderungen anpassen lassen.

3. CIAM und CDP: Konvergenz als logischer Schritt 

Customer Identity and Access Management (CIAM) Systeme, die sich auf die sichere Verwaltung von Kundenidentitäten und -berechtigungen konzentrieren, und CDPs, die Kundendaten für personalisierte Erlebnisse nutzen, wachsen perspektivisch immer stärker zusammen. Diese Konvergenz ist ein logischer Schritt, denn:

  • Gemeinsame Datenbasis: Beide Systeme arbeiten mit Kundendaten. CIAM liefert die Identitätsdaten (Name, E-Mail, etc.), während die CDP Verhaltens- und Transaktionsdaten hinzufügt. Ein integrierter Ansatz schafft eine 360-Grad-Sicht auf den Kunden.
  • Personalisierung und Datenschutz: Die Verbindung von CIAM und CDP ermöglicht eine hochpersonalisierte CX unter Wahrung des Datenschutzes. CIAM stellt sicher, dass Daten sicher und mit Einwilligung verwaltet werden, während die CDP diese Daten nutzt, um relevante Erlebnisse zu schaffen.
  • Omnichannel CX: Durch die Integration von CIAM und CDP können Unternehmen ein nahtloses Omnichannel-Erlebnis bieten. Kunden können sich sicher anmelden und über verschiedene Kanäle hinweg personalisierte Interaktionen genießen.

Diese Entwicklung erfordert eine enge Abstimmung zwischen IT, Marketing und Datenschutz, um die Potenziale optimal zu nutzen und gleichzeitig die Sicherheit und Privatsphäre der Kunden zu gewährleisten.

Der Schlussakkord: Fazit und Ausblick

Customer Data Platforms sind der Schlüssel zur perfekten CX, aber der Weg dorthin ist komplex. Technische, organisatorische und rechtliche Herausforderungen müssen gemeistert werden.

Für 2025 bedeutet das: Unternehmen müssen sich auf die Integration von Datenquellen, die Sicherstellung der Datenqualität, die Einhaltung von Datenschutzbestimmungen (einschließlich des EU AI Act), AI-gestützte Analytik und Personalisierung sowie Benutzerfreundlichkeit konzentrieren, um eine effektive CX-Datenstrategie umzusetzen.

* https://www.spiceworks.com/marketing/customer-experience/guest-article/whats-next-customer-experience-predictions/