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Gespräch statt Klick: Mut im Vertrieb zählt

E-Mails statt Anrufe prägen den B2B-Vertrieb – oft aus Unsicherheit. Mut zur direkten Kommunikation fördert Vertrauen und die Auftragschancen steigen.
Oliver Schumacher | 25.06.2025
© vecteezy-Tanakorn Lappattaranan
 

Ja, wir leben in einer digitalen Welt. Und ja, wir nutzen ganz selbstverständlich nicht nur E-Mails, sondern auch im Business Messaging-Dienstleister wie WhatsApp. Aber wenngleich diese digitalen Systeme viele Vorteile bieten, bleibt die Frage, ob wir alle als Teilnehmer des beliebten Online-Dialogs uns manchmal nicht lieber einen menschlichen Kontakt wünschen würden.

 

Tatsache ist und bleibt: Gespräche Face-to-Face sind oft deutlich zielführender – und für viele Situationen angemessener. Doch das „mal eben“ Absenden einer Nachricht ist verlockend einfach, sowohl beispielsweise die Bitte um ein schriftliches Angebot, als auch dessen Versendung. In einer etablierten Geschäftsbeziehung mag das gut funktionieren, aber ist es wirklich auch beim Neukundengeschäft zielführend, wo sich beide Seiten gar nicht kennen?

 

Wer stört wen?

Der Vertriebsleiter sagt zu seinem Mitarbeiter: „Was ist eigentlich aus dem Angebot geworden, welches du dem Kunden geschickt hast? Da ging es doch um einen dicken Auftrag!?“ Daraufhin erwidert der Mitarbeiter: „Hat sich noch nichts draus ergeben. Ich habe ihm bereits zwei E-Mails geschickt, ob er sich schon entschieden hat. Er hat aber nicht geantwortet. Müssen wir uns wohl noch ein bisschen gedulden.“ Solche Verhaltensweisen lassen so manchen Führungskräften die Haare zu Berge stehen – und oft Mitarbeiter schulterzuckend zurück. Denn diese sagen sich in derartigen Situationen oft „Ich will ja nicht stören und aufdringlich sein, darum kann ich da doch nicht einfach anrufen. Wenn der Kunde Interesse hat, wird er sich schon melden. Aber wenn ich wirklich nachfassen muss, dann mache ich das lieber per E-Mail.“ Und der Chef? Der ist ratlos und fragt sich, was mit seinem Mitarbeiter los ist – man kann doch einfach zum Telefon greifen! Hat er ja früher auch gemacht …

 

Heikle Balance

Sehr oft ist Kommunikation ein Balanceakt zwischen Aufdringlichkeit und Gleichgültigkeit. Zugegeben, kaum ein Kunde kann es leiden, wenn Verkäufer nerven. Doch wünschen sich nicht auf der anderen Seite Kunden auch das Gefühl, gewollt zu werden und erwünscht zu sein? Welcher Mensch hat im Restaurant noch nicht die Enttäuschung erlebt, der Bedienung hinterherlaufen zu müssen? Und geht es nicht oft auch im Geschäftsalltag um „Auftrag bekommen“ oder „Auftrag nicht bekommen“ oder anders gesagt um alles oder nichts? Denn gewöhnlich werden Aufträge ja nur einmal vergeben. Und wer hier zu passiv ist, läuft Gefahr, bei der Vergabe nicht zum Zug zu kommen.

 

Es gibt natürlich Menschen, die fröhlich hier und dort anfragen – und auf einen schriftlichen statt einen persönlichen Dialog bestehen. Und zwar von Anfang an. Aber kann es richtig sein, einem Anfragenden überhaupt ein Angebot nahezu auf Zuruf zu erstellen, wenn dieser nicht einmal bereit ist, vor der Angebotserstellung mit dem Anbieter zu sprechen? Handelt es sich nicht sogar um ein klares Alarmsignal, dass aus dieser Anfrage mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Auftrag wird? Warum investieren Anbieter überhaupt in aufwändige Angebote viel Zeit und Geld, wenn doch der Anfragende von Anfang an klar kommuniziert: „Ich bestimme die Regeln, wie du zu arbeiten hast!“? Sind solche Verhaltensweisen wirklich die Basis für solide Geschäfte bzw. ein wertschätzendes und gedeihliches Miteinander?

 

Anbieter brauchen Spielregeln

Eine Analyse der Anfragen, welche auf unterschiedlichen Wegen eintreffen und die daraus jeweils resultierenden Abschlussquoten sind ein wertvolles Indiz, um zu überprüfen, wo konkrete Änderungen erforderlich sind. So manche Unternehmen stehen unterm Strich besser dar, wenn sie nicht blindlings Angebote versenden, sondern Mindestanforderungen definieren, bevor sie den nächsten Schritt gehen. Ist der Interessent beispielsweise nach seiner Anfrage bereit für ein offenes weiteres Qualifizierungsgespräch, egal ob vor Ort, am Telefon oder online, dann wird der nächste Schritt gegangen und ein aufwändiges und aussagekräftiges Angebot erstellt. Wenn nicht, dann erhält dieser mangels Auftragswahrscheinlichkeit kein ausführliches und individuelles, sondern bestenfalls ein Standard-Angebot.

 

Verkäufer brauchen Ideen

Wenn Verkäufer beim Anfragenden ungern bis gar nicht anrufen, steckt ein Grund dahinter. Möglicherweise nicht nur die Sorge, mit dem Anruf zu stören, sondern vielleicht auch die Angst, mit der Reaktion des Angerufenen spontan überfordert zu sein. Der Interessent könnte ja sehr unterschiedlich reagieren: Von höflich und kauflustig bis hin zu dominant und abweisend. Wer möchte denn schon wirklich das Gespräch beenden und den Anruf bereuen, weil ihm der Angerufene mit oder ohne böse Absicht an den Rand seiner Möglichkeiten getrieben hat? Selbst dann, wenn diese Gefahr recht gering ist, ist sie doch möglich und schwingt im Kopf beim Wählen drohend mit!

 

Mein Tipp: Austausch mit erfahrenen Kollegen, regelmäßiges Training sowie eine zunehmende Steigerung der Aufgaben, die am Telefon zu erledigen sind, können vielen Mitarbeitern helfen, mit mehr Mut und Zuversicht in Kundengespräche zu gehen.