Marketing-Börse PLUS - Fachbeiträge zu Marketing und Digitalisierung
print logo

Marketing übernimmt Umsatzverantwortung

Revenue Marketing macht Marketing zum Umsatztreiber: CMOs übernehmen Pipeline-Verantwortung mit klaren KPIs, SLAs und integrierten Sales-Teams.
Sascha Albrink | 14.11.2025
Revenue Marketing: Pipeline-Verantwortung als CMO-Kernaufgabe © Freepik / oatawa
 

„Wie viele Leads habt ihr generiert?" – „Und wie viele davon wurden zu Kunden?" Die zweite Frage kommt mittlerweile in fast jedem Budget-Gespräch. Und genau da wird es unbequem. Die ehrliche Antwort lautet meist: „Weiß ich nicht genau."

Das ist das Kernproblem vieler Marketingabteilungen: Sie liefern Leads, übernehmen aber keine Verantwortung dafür, was danach passiert. Der Vertrieb beschwert sich über schlechte Lead-Qualität, Marketing beklagt, dass Sales nicht nachfasst. Am Ende sitzt der CMO im Budgetgespräch und verteidigt Ausgaben statt über Umsatzbeiträge zu sprechen. Revenue Marketing dreht diese Logik um.

Das Ende der alten Arbeitsteilung

Die klassische Trennung funktioniert in komplexen B2B-Verkaufszyklen nicht mehr. Ein Softwareunternehmen generiert monatlich 200 Marketing Qualified Leads, der Vertrieb nimmt davon nur 40 ernst. Marketing ist frustriert („Wir liefern doch!"), Sales genervt („Das ist Datenmüll!"). Die Geschäftsführung sieht nur: teures Marketing, magere Pipeline.

Das eigentliche Problem: Es fehlt die gemeinsame Definition eines qualifizierten Leads. Marketing optimiert auf Formular-Abschlüsse, Vertrieb braucht kaufbereite Kontakte mit konkreten Projekten. Ohne gemeinsame Sprache arbeiten beide systematisch aneinander vorbei. Revenue Marketing löst das, indem beide Seiten gemeinsam für Pipeline-Volumen, Pipeline-Qualität und letztlich Umsatz verantwortlich sind.

Gemeinsame Definitionen als Fundament

Ein konklretes Beispiel: Ein Maschinenbau-Zulieferer brauchte sechs Wochen intensiver Diskussion für klare Lead-Definitionen. Ein MQL ist ein Kontakt aus der Zielbranche mit Whitepaper-Download plus zwei weiteren Touchpoints in 30 Tagen. Ein SQL hat im Erstkontakt ein konkretes Projekt mit Budget und Zeitrahmen bestätigt. Eine Opportunity liegt vor, wenn zusätzlich Entscheider-Zugang besteht und das Deal-Volumen geschätzt werden kann.

Diese Diskussion zwingt beide Seiten zu schmerzhaften Einsichten. Marketing muss akzeptieren, dass ein Download noch kein qualifizierter Lead ist. Vertrieb muss einsehen, dass frühe Signale schnelle Reaktion erfordern, statt nur auf fertige Opportunities zu warten. Kritisch dabei: Die Definition muss vom Vertrieb mitgetragen werden, sonst war die Übung umsonst.

Organisatorische Integration statt Silo-Denken

Die relevante Frage ist nicht mehr „Wie viele Impressions hatte die Kampagne?", sondern „Wie viel Pipeline hat sie generiert?". In erfolgreichen B2B-Unternehmen verantwortet Marketing 30 bis 40 Prozent des Pipeline-Volumens. Und Marketing, Sales Development Representatives und Account Executives arbeiten idealerweise in einem Team mit gemeinsamen Zielen. Der Teamlead kommt aus dem Marketing, berichtet aber an den Chief Revenue Officer. Diese Struktur bricht Silos auf.

Service Level Agreements schaffen zusätzliche Verbindlichkeit: Marketing verpflichtet sich zur Lieferung definierter Lead-Qualität, Vertrieb garantiert 24-Stunden-Reaktionszeit und strukturiertes Feedback.

Technologie als unverzichtbares Rückgrat

CRM und Marketing-Automation müssen bidirektional kommunizieren. Wenn Marketing einen Lead als MQL klassifiziert, sieht der Vertrieb das sofort im CRM-System. Markiert Sales einen Lead als irrelevant, bekommt Marketing dieses Feedback in Echtzeit über die Marketing-Automation-Plattform.

Die größte Herausforderung ist Multi-Touch-Attribution. Bei Verkaufszyklen von sechs bis zwölf Monaten ist der letzte Klick selten der entscheidende. Welche Touchpoints hatte ein Lead wirklich, bevor er kaufte? Die technische Komplexität ist erheblich, aber ohne saubere Attribution und Datenbasis bleiben Marketinginvestitionen im Dunkeln und Revenue Marketing wird schwer zu realisieren.

Der realistische Transformationsfahrplan

Bis Revenue Marketing so richtig gut funktioniert dauert typischerweise einige Monate. In den ersten Monaten werden Fundamente gelegt: gemeinsame Lead-Definitionen, CRM-Bereinigung, Tracking-Aufbau. Anschließend sind Testphasen mit einem Pilotprodukt, wöchentlichen Reviews und ersten Pipeline-Attributionen an der Reihe. Nach ca. einem halben Jahr beginnt die Skalierung, Content-Lücken werden geschlossen und es geht um das Optimieren von Conversions.

Neue CMO-Kompetenzen für neue Realitäten

Revenue Marketing verändert das Anforderungsprofil fundamental. Vertriebsprozesse verstehen wird dabei immer wichtiger. Das ist manchmal unbequem für etablierte Marketing-Führungskräfte. Aber es ist die einzige Möglichkeit, Marketing zukunftssicher zu machen. Wenn der CMO nicht selbst nachweist, was Marketing zum Umsatz beiträgt, wird es jemand anders tun – oder die Funktion reduzieren.

Revenue Marketing ist keine Option mehr, sondern der Standard, den CMOs in den nächsten Jahren erreichen müssen. Die Transformation dauert ein Jahr und erfordert erhebliche Investments. Aber sie macht Marketing messbar, unverzichtbar und schafft Freiraum für strategische Markenarbeit. Der Weg ist steinig, das Ziel alternativlos.

Cover of Lead Management Summit
Sascha Albrink persönlich treffen:
Lead Management Summit
14.04.2026 | Würzburg
Img of Sascha Albrink

Sascha Albrink ist geschäftsführender Gesellschafter der 2002 von ihm gegründeten Inbound-Marketing-Agentur sixclicks. Er l(i)ebt digitales Marketing.

Newsletter