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Artificial Leadership im Marketing

Die Revolution im Marketing: Wenn die Maschine statt dem CMO den Kundenkontakt gestaltet.
Tobias Kollmann | 29.08.2023
Artificial Leadership im Marketing © freepik / rawpixel.com
 

Künstliche Intelligenz (KI) wird zunehmend in allen Geschäftsbereichen eingesetzt und wird einen erheblichen Einfluss auf die damit verbundenen Geschäftsprozesse haben. Dies wird insbesondere dort der Fall sein, wo Daten die Grundlage für eine Verbesserung sowie eine Beschleunigung der damit verbundenen Arbeitsabläufe sind, denn genau diese Daten sind der Input für die Algorithmen der KI. Schon heute ist das gerade im Marketing der Fall: Kundendaten, Marktdaten, Mediendaten usw. – Daten in (hoffentlich qualitativer) Hülle und (hoffentlich quantitativer) Fülle stehen dem Chief Marketing Officer (CMO) und seiner Mannschaft zur Verfügung.

Diesbezüglich kann/wird die KI aber nicht mehr nur als „Unterstützungstool“ für Marketingkampagnen eingesetzt werden, sondern zukünftig auch als „Entscheidungsinstanz“ für Marketingstrategien auftreten und in der Folge auch die daraus resultierenden Arbeitsanweisungen für die Umsetzung erteilen. Dies führt unmittelbar zu der Frage, wo und wie werden KI-Systeme im Marketing bestimmte Unterstützungs- oder sogar Führungsaufgaben übernehmen? Das Artificial Leadership steht auch für den Marketing-Bereich in den Startlöchern.

Einsatz von KI als Unterstützungstool im Marketing

Der Einsatz von KI im Marketing kann den CMO in vielfacher Hinsicht unterstützen. Ein wichtiger Aspekt ist die Datenanalyse. KI kann große Mengen von Daten in Echtzeit verarbeiten und Muster erkennen, die für menschliche Analysten schwer zu entdecken wären. Diese Datenanalyse ermöglicht eine präzisere Zielgruppenidentifikation und Personalisierung von Marketingbotschaften. Zudem kann KI die Effektivität von Marketingkampagnen messen und optimieren, indem sie kontinuierlich die Leistung analysiert und Anpassungen vorschlägt.

Ein weiteres Gebiet, in dem KI den CMO unterstützen kann, ist die Marktforschung. Durch das Durchsuchen von Online-Plattformen, sozialen Medien und anderen Quellen kann KI wertvolle Einblicke in die Stimmung der Verbraucher gewinnen. Diese Informationen können zur Anpassung von Marketingstrategien genutzt werden, um besser auf sich ändernde Bedürfnisse und Trends zu reagieren. Fazit: Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, die Leistung des Marketings zu verbessern und ein besseres Kundenerlebnis zu bieten. Aber: Die letztendliche Entscheidung, was tatsächlich gemacht wird, trifft immer noch der Mensch und nicht die Maschine.

Einsatz von KI als Entscheidungsinstanz im Marketing

Trotz der vielfältigen Möglichkeiten der KI-Unterstützung im Marketing gibt es nämlich auch Bereiche, in denen KI den CMO bzw. seine Mitarbeiter potenziell ersetzen könnte. Ein Beispiel ist die Automatisierung von Marketingprozessen. KI-gesteuerte Systeme können automatisch personalisierte E-Mails versenden, Social-Media-Posts planen, schreiben und posten und sogar Chatbots für den Kundensupport autonom einsetzen. KI kann dazu verwendet werden, den Einfluss verschiedener Marketingkanäle auf den Verkauf oder die Conversion zu bewerten und die Verteilung des Marketingbudgets automatisch zu optimieren.

KI kann A/B-Tests automatisieren und die Ergebnisse analysieren, um die Effektivität von Marketingkampagnen zu bewerten und Empfehlungen zur Optimierung abzugeben. KI kann automatisch Werbeplatzierungen analysieren, um die besten Kanäle und Zeiten für Anzeigen zu ermitteln und den Medieneinkauf zu optimieren. KI kann Preisdaten und Marktinformationen analysieren, um dann selbstständig optimale Preisstrategien zu entwickeln und dynamische Preisänderungen vorzunehmen.

Dies alles kann zu einer erheblichen Zeit- und Ressourceneinsparung führen, was in kleineren Unternehmen möglicherweise dazu führen könnte, dass Positionen im Marketing überflüssig werden. Aber gilt das auch für den CMO selbst? Die Antwort ist ein uneindeutiges „Ja und Nein“.

Artificial Leadership als Führungskonzept im Marketing

Im Zuge der Überlegungen zu einem Artificial Leadership haben Kollmann et al. (2023) herausgearbeitet, dass eine KI sehr wohl das Potenzial hat, den Menschen als Entscheidungsinstanz abzulösen: „Artificial Leadership" beschreibt einen Führungsstil, bei dem eine Maschine (im besten Fall als KI) nicht nur über einen Big-Data-Ansatz die benötigten Daten bekommt (Digital Source), sondern diese auch über einen Deep-Learning-Ansatz eigenständig mit den zugehörigen Algorithmen auswerten kann (Digital Analysis) und schließlich die sich daraus hervorgehenden Ergebnisse über einen Data-Driven-Ansatz auch als Handlungsanordnung durch den Menschen akzeptiert werden (Digital Decision).“

Dabei erfolgt die Ablösung insbesondere im Rahmen des Bestandsgeschäfts bei der operativen Unternehmensführung. Für das Marketing betrifft das die Bereiche, bei welchen es um klare (auch berechenbare) operative Effizienz- bzw. Effektivitätskriterien im Rahmen von bekanntem Wissen (Exploitation) geht. Ein Beispiel: KI kann laufende Werbeanzeigen für die eigenen bekannten Produkte in Echtzeit überwachen und automatisch Anpassungen vornehmen, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen. Sollte es eine Notwendigkeit für die Um- oder Neugestaltung der Werbeanzeige geben, so erteilt die Maschine einen entsprechenden Auftrag an den Mediengestalter (wenn nicht auch dies von der KI in Zukunft selbst übernommen wird).

Wo der Mensch – und damit auch der CMO – weiterhin gebraucht wird, ist der Bereich des Innovationsgeschäfts bei der strategischen Unternehmensführung. Hier geht es in einem kreativen Prozess, um abschätzbare (aber noch nicht unbedingt berechenbare) strategische Entwicklungs- und Positionierungskriterien für den Marketing-Mix im Rahmen von noch nicht bekanntem Wissen (Exploration) rund um innovative Produkte. Ein Beispiel: Die kreative Erfahrung eines CMO hilft dabei, eine fesselnde Geschichte um das innovative Produkt zu kreieren. Eine gut erzählte Geschichte mit passender Markenbildung für zukünftige Produkte kann die Kunden emotional ansprechen, sie in den Entwicklungsprozess einbinden und die Produktbotschaften auf eine Art und Weise vermitteln, die im Gedächtnis bleibt. Eine KI hat hier (noch) Defizite, weil die Algorithmen nur aufgrund von Daten aus der Vergangenheit und Gegenwart mögliche Ergebnisse berechnen. 

Fazit

So oder so, der praktische Einsatz von KI im Marketing erfordert sorgfältige Planung und Umsetzung. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist die Qualität der Daten. KI-Systeme sind nur so gut wie die Daten, die sie verwenden. Daher ist es wichtig, hochwertige und relevante Daten zu sammeln, um genaue Analysen und Vorhersagen zu ermöglichen – und zwar unabhängig davon, ob am Ende der Mensch oder die Maschine die Entscheidung trifft. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist zudem die Integration von KI in bestehende Marketingprozesse und -strategien. Dafür ist die Schulung der Marketing-Akteure von entscheidender Bedeutung, denn die müssen in der Lage sein, mit den neuen KI-Tools umzugehen und ihre Funktionsweise zu verstehen. Ein häufiger Fehler ist dagegen der Mangel an klaren Zielen für die Nutzung einer KI im Marketingbereich. Es ist aber wichtig, diese klaren Ziele für den Einsatz von KI im Marketing zu definieren und die Leistung regelmäßig zu überprüfen, um sicherzustellen, dass die angestrebten Ergebnisse erreicht werden. Das gilt am Ende übrigens sowohl für die Maschine als auch den Menschen.

Literatur

Kollmann, T./Kollmann, K./Kollmann, N. (2023): Artificial Leadership: Die Revolution für die Unternehmensführung, Köln/Essen 2023.