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E-Mail-Werbung im Rahmen bestehender Kundenbeziehungen

Der Artikel beleuchtet aktuelle Rechtsfragen der E-Mail-Werbung an bestehende Kundenkontakte.
Christian Schmoll | 25.10.2005
Die Neuregelung des UWG führt hinsichtlich der elektronischen Direktwerbung gegenüber Verbrauchern im Rahmen bestehender Kundenbeziehungen zu einer Lockerung der Zulässigkeitsvoraussetzungen, während sie für E-Mail-Werbung gegenüber Gewerbetreibenden schärfere Voraussetzungen statuiert. Nach der bisherigen Rechtsprechung war elektronische Direktwerbung gegenüber Verbrauchern ohne ausdrückliche oder konkludente Einwilligung stets unzulässig, während für diese Form der Werbung gegenüber Gewerbetreibenden aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände ein sachliches Interesse des Empfängers vermutet werden konnte, das die Werbung zulässig machte.

Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG stellt Werbung mittels elektronischer Post, also mittels E-Mail oder SMS, ohne ausdrückliche Einwilligung des Adressaten nun grundsätzlich eine unzumutbare Belästigung dar und ist damit gem. §§ 7 Abs. 1, 3 UWG unlauter und unzulässig.

§ 7 Abs. 3 UWG sieht hier als Ausnahmetatbestand ein sogenanntes qualifiziertes Opt-Out-Modell für Werbung im Rahmen bestehender Kundenbeziehungen vor. Werbung mittels elektronischer Post ist danach auch ohne ausdrückliche Einwilligung zulässig. Ein Unternehmer, der von einem Kunden in Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung dessen elektronische Kontaktinformationen für elektronische Post erhalten hat, kann diese zu Zwecken der Direktwerbung für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen verwenden. Dies gilt allerdings nur, sofern die Kunden bei der Erhebung und bei jeder einzelnen Nutzung der Kontaktdaten klar und deutlich auf die Möglichkeit hingewiesen werden, eine weitere Nutzung zu untersagen. Der Kunde kann eine Nutzung zu Werbezwecken also auch von vornherein ablehnen. Weitere Voraussetzung ist, dass für die Aufforderung zur Einstellung der Nutzung nur die Kosten für den Basistarif für die Übermittlung einer solchen Erklärung anfallen. Diese Voraussetzung ist dann nicht erfüllt, wenn eine Mehrwertdiensterufnummer angerufen werden muss.

Der Gesetzeswortlaut wirft hier allerdings mehrere Fragen auf. Zum einen ist zu klären, ob eine elektronische Adresse auch "in Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung" erlangt wurde, wenn lediglich Verkaufsverhandlungen geführt wurden, zum anderen sind die Begriffe der "eigenen" und der "ähnlichen" Ware oder Dienstleistung näher zu beleuchten.

I. In Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung

Ob ein Unternehmer eine E-Mail-Adresse oder Mobilfunknummer, die ein Interessent bei Verkaufsverhandlungen angegeben hat, zu Werbezwecken nutzen kann, wenn es lediglich bei Verhandlungen geblieben ist und eine Ware oder Dienstleistung nicht verkauft wurde oder ob er die Adresse erst nutzen kann, wenn tatsächlich ein Vertragsabschluss erzielt wurde, ist anhand der Ratio der Norm zu ermitteln.

§ 7 UWG dient dem Schutz des Marktes und der Marktteilnehmer vor unzumutbarer Belästigung. Hierunter fallen nach der amtl. Begründung solche Handlungen, die bereits wegen der Art und Weise unabhängig von ihrem Inhalt als Belästigung empfunden werden. Die Belästigung besteht dabei darin, dass die Wettbewerbshandlung den Empfängern aufgedrängt wird.

Zu vergleichen ist hier das Schutzbedürfnis eines Marktteilnehmers, der mit einem Unternehmer in Vertragsverhandlungen stand oder noch steht, die aktuell zu keinem Vertragsabschluss geführt haben, mit dem Schutzbedürfnis eines Marktteilnehmers, der bereits eine Ware oder Dienstleistung erworben hat. In beiden Fällen hat der Marktteilnehmer dem Unternehmer seine E-Mail-Adresse oder Mobilfunknummer überlassen, obwohl er darauf hingewiesen wurde, dass diese Kontaktdaten zu Zwecken der elektronischen Direktwerbung verwendet werden können. In beiden Fällen hat der Marktteilnehmer einer solchen Nutzung auch nicht widersprochen, obwohl er darauf hingewiesen wurde, dass er eine solche Nutzung jederzeit untersagen kann.

Hinsichtlich des Schutzbedürfnisses vor aufgedrängten Wettbewerbshandlungen ist kein Unterschied zwischen den beiden Gruppierungen erkennbar, so dass eine unterschiedliche Behandlung keine Rechtfertigung findet. Es liegt kein sachlicher Grund vor, die Nutzung von Adressen, die Kunden dem Unternehmer überlassen haben, davon abhängig zu machen, ob tatsächlich ein Abschluss getätigt wurde. Diese Auslegung ergibt sich auch schon aus dem Gesetzeswortlaut. Hätte der Gesetzgeber die Zulässigkeit der Nutzung von elektronischen Adressen zu Werbezwecken tatsächlich vom Kauf einer Ware oder Dienstleistung abhängig machen wollen, hätte er die Formulierung "beim Verkauf" verwenden können. Daraus, dass er den weiteren Begriff "in Zusammenhang mit dem Verkauf" verwendet, ergibt sich, dass auch bloße Verkaufsverhandlungen unter den Gesetzeswortlaut zu subsumieren sind.

II. Ähnliche Ware oder Dienstleistung

Der Auslegung bedarf auch der Begriff der "ähnlichen Waren oder Dienstleistungen". Es stellt sich hier die Frage, ob sich dieser Begriff lediglich auf Waren der gleichen Gattung beschränkt oder ob er weit auszulegen ist und damit beispielsweise auch Zubehör und zusätzliche Dienstleistungen erfasst sind.

Das Kriterium der Produktähnlichkeit spielt im Markenrecht bei §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG eine Rolle im Rahmen des Verwechslungsschutzes der Marke. Der Begriff der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen ist im Markenrecht im Hinblick auf die Verwechslungsgefahr anhand verwechslungsrelevanter Ähnlichkeitskriterien zu bestimmen.

Der Schutz vor unzumutbarer Belästigung als Regelungsinhalt des § 7 UWG unterscheidet sich dabei jedoch grundlegend vom Verwechslungsschutz des Markenrechts. Hier ist dem entsprechend eine eigenständige wettbewerbsrechtliche Definition des Begriffs der Produktähnlichkeit geboten. Aus der Richtlinie 2002/58/EG, deren Umsetzung die Neufassung des UWG dient, lassen sich hierzu keine über den Gesetzeswortlaut hinausgehenden Erkenntnisse gewinnen. Auch dort ist nur von "ähnlichen Produkten oder Dienstleistungen" die Rede.

Als Auslegungskriterium ist somit auch hier wieder der Schutz des Marktes und der Marktteilnehmer vor unzumutbaren Belästigung heranzuziehen. Es ist zu untersuchen, ob der Schutzzweck der Norm es erfordert, den Begriff der ähnlichen Ware oder Dienstleistung dem Wortlaut entsprechend eng auszulegen und eine Produktähnlichkeit nur bei Gattungsgleichheit anzunehmen ist oder ob auch eine weite Auslegung dem Schutzzweck der Norm gerecht wird und damit auch Zubehör und zusätzliche Dienstleistungen erfasst sind.

Ein Marktteilnehmer, der ein bestimmtes Produkt erworben hat, wird regelmäßig auch Interesse an Zubehörprodukten und im Zusammenhang stehenden Dienstleistungen haben. So wird beispielsweise der Erwerber eines DVD-Players naturgemäß eher am Angebot von Zubehör zu diesem interessiert sein als am Angebot weiterer ähnlicher DVD-Player. Ein Marktteilnehmer, der seine E-Mail-Adresse oder Mobilfunknummer dem Unternehmer im Rahmen eines bloßen Informationsgespräches überlassen hat, wird dem gegenüber eher an ähnlichen Produkten Interesse haben als an Zubehörprodukten, um eine breite Marktübersicht gewinnen zu können. Auch bei diesem Marktteilnehmer wird aber regelmäßig Interesse an gattungsverschiedenen Produkten vorliegen, die mit dem von ihm zu erwerbenden Produkt in unmittelbaren Zusammenhang stehen. Zur Verwirklichung eines umfassenden Schutzes des Marktes und der Marktteilnehmer vor unzumutbarer Belästigung bedarf es keiner Differenzierung zwischen Käufern und Interessenten.

Der Begriff der ähnlichen Ware oder Dienstleistung ist daher nicht auf gattungsgleiche Produkte zu beschränken, bedarf aber ansonsten einer restriktiven Auslegung. Er bezieht sich ausschließlich auf Produkte, bei denen ein offensichtlicher und unmittelbarer Zusammenhang mit dem ursprünglichen Produkt besteht und darf keinesfalls auf Produkte ausgedehnt werden, bei denen sich lediglich ein entfernter Zusammenhang konstruieren lässt.

Der notwendige hohe Abstraktionsgrad dieses Definitionsversuches zeigt, dass es sich letztendlich aber stets um eine Entscheidung unter umfassender Würdigung der Umstände des Einzelfalls handeln wird.

III. Eigene Ware oder Dienstleistung

Weiter ist zu beachten, dass ein Unternehmer die elektronische Postadresse nur zur Bewerbung eigener Produkte verwenden darf. Ob diese weitere Einschränkung notwendig ist, um das angestrebte hohe Niveau des Schutzes der Marktteilnehmer vor unzumutbarer Belästigung zu erreichen, ist zweifelhaft. Schon der Begriff der "ähnlichen" Produkte gewährleistet ein ausreichendes Schutzniveau des Kunden vor ausufernder elektronischer Direktwerbung. Dem Schutzzweck der Norm widerspricht es nicht, wenn der Unternehmer den Kunden über ähnliche Produkte anderer Anbieter informiert. Hinsichtlich der Intensität der Belästigung macht es keinen Unterschied, ob die ähnlichen Waren oder Dienstleistungen, bei denen der Gesetzgeber ein grundsätzliches Informationsinteresse des Empfängers unterstellt, Teil des eigenen Angebots des werbenden Unternehmers sind, oder ob diese von einem anderen Anbieter vertrieben werden. Der Gesetzeswortlaut ist jedoch eindeutig. Lediglich Produkte aus dem Portfolio des werbenden Unternehmers dürfen beworben werden. Inwieweit die Gerichte hier künftig zu einer erweiternden Auslegung tendieren werden, bleibt abzuwarten.

IV. Zusammenfassung

Eine elektronische Postadresse darf zu Zwecken der Direktwerbung genutzt werden, auch wenn mit dem Adressaten der Werbung bislang lediglich Verkaufsverhandlungen geführt wurden. Dabei ist die Werbung auch für gattungsverschieden Produkte zulässig, solange ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Produkt besteht, bei dessen Verkauf oder Verkaufsverhandlungen die E-Mail-Adresse des Kunden erlangt wurde.

Allein aufgrund der weitreichenden Informationspflichten des Werbetreibenden, der den Adressaten seiner elektronischen Direktwerbung bei jeder Werbesendung auf die Möglichkeit hinweisen muss, eine weitere Nutzung der elektronische Adresse jederzeit untersagen zu können, wird die werbetreibende Industrie ein ureigenes Interesse daran haben, belästigende elektronische Direktwerbung zu vermeiden. Der Schaden am Markenimage und der wirtschaftliche Schaden durch den Verlust einer Kontaktadresse, deren weitere Nutzung ein Kunde aufgrund belästigender Direktwerbung untersagt hat, wird für die Unternehmenskommunikation langfristig wesentlich höher anzusetzen sein als die möglichen Umsatzeinbußen durch das Unterlassen einer unter Umständen rechtswidrigen Direktmarketingkampagne. Das Gesetz gewährleistet somit sowohl unter rechtlichen wie auch unter wirtschaftlichen Aspekten einen ausreichenden Schutz des Marktes und der Marktteilnehmer, ohne dass eine restriktive Auslegung des Gesetzeswortlauts geboten wäre.

JurPC Web-Dok. 283/2004